Crash mit der Billigbremse: Vorsicht vor gefälschten Autoteilen

Köln (dpa/tmn) - Die Edelfelge, der Stoßdämpfer oder Bremsbelag stehen zum Kampfpreis im Netz. Daneben eine Handynummer. Bezahlt wird in bar. Schon haben Fahrzeugbesitzer ein gefälschtes Teil gekauft - und begeben sich möglicherweise in Lebensgefahr.

Felgen, Bremsbeläge, Radkappen oder Ölfilter - Tuning- und Verschleißteile fürs Auto sind oft zu Kampfpreisen im Internet annonciert. Wer dann etwa einen Satz AMG-Markenfelgen für 1100 Euro „cash auf die Hand“ statt für 6500 Euro Listenpreis kauft, lädt mit großer Sicherheit gefälschte Produkte meist asiatischer Herkunft in den Kofferraum. Das ist nicht nur verboten, sondern kann lebensgefährlich für den Fahrer und andere werden, warnt der TÜV Rheinland.

„Gefälschte Billigfelgen können reißen, meist in der Kurve“, sagt der TÜV-Rheinland-Sachverständige Hans-Ulrich Sander. „Dann ist Bremsen und Lenken nicht mehr möglich. Und kiloschwere Teile der Felge fliegen weg und können Fußgänger schwer verletzen.“ Höchste Gefahr drohe etwa auch bei in Fernost nachgebauten Bremsbelägen, die sich beim Härtetest etwa auf Passstraßen auflösen können.

Die Fälschung von Autoteilen ist angesichts der immer größeren Verbreitung des Internets als Bestell- und Vertriebsweg zu einem großen Problem für Industrie und Verbraucher geworden. Auf europaweit fünf bis zehn Milliarden Euro im Jahr schätzt der Europäische Dachverband der Automobilzulieferindustrie CLEPA den Schaden durch Produktpiraterie rund ums Auto. Die Dunkelziffer ist hoch, weil Autofahrer, die Billigteile eingebaut haben, nach einem Unfall etwa wegen Brems- oder Lenkproblemen meist schweigen. Sie müssten ja sonst die technische Untersuchung des Fahrzeugs bezahlen und bekämen womöglich Ärger mit der Polizei und ihrer Versicherung, sagt Sander.

Autowerkstätten sollten generell über den Hersteller, den Großhandel oder persönlich bekannte und seriöse Lieferwege bestellen, rät der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, der fast 40 000 Autowerkstätten in Deutschland vertritt. Private Schrauber, die geprüfte und seriöse Ersatzteile zu einem günstigen Preis erwerben wollen, sollten zunächst mal einen genauen Blick auf das ECE-Genehmigungszeichen (großer Buchstabe E in einem Rechteck) werfen, sagt Verbandssprecher Ulrich Köster.

Hier verrieten Abweichungen vom Original oft schon die Fälschung. Auch bei der Schreibweise der Firmennamen und beim äußeren Erscheinungsbild auf der Verpackung lägen die oft asiatischen Fälscher vielfach daneben. Das sei natürlich ein klares Indiz. Außerdem raten Verbraucherschützer, die Geschäftsbedingungen von Online-Händlern sorgfältig zu lesen und vor allem bei Firmensitzen im weiten außereuropäischen Ausland misstrauisch zu sein.

China und Hongkong sind nach der Statistik der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz des Zolls die beiden wichtigsten Fälscherländer. Von dort stammten 2011 in mehr als drei Vierteln der Fälle die vom Zoll beschlagnahmten Waren. Bei den fast 24 000 Fällen von Produktpiraterie aller Branchen des vergangenen Jahres fielen den Zöllnern gefälschte Autoteile im Wert von 7,4 Millionen Euro in die Hände. Die meisten davon werden nach EU-Recht vernichtet. Kunden, die bereits bezahlt haben, gucken in die Röhre.

Da die Fälscherfabriken weit weg sind, ist es schwer, sie zu belangen. Das musste etwa der Aachener Felgenhersteller AC Schnitzer in einem der dreistesten Fälle von Produktpiraterie der vergangenen Jahre feststellen. Eine Essener Firma war 2009 mit ihren illegal kopierten Felgen im Schnitzer-Design genau wie das Original-Unternehmen auf die Branchenmesse Essen Motor Show gegangen. Dort fiel den Schnitzer-Leuten der Schwindel der Konkurrenten auf, die Felgen wurden beschlagnahmt, ein Verfahren eingeleitet. „Doch bis heute konnten wir den Produzenten - höchstwahrscheinlich in Fernost - nicht ausfindig machen“, sagt Schnitzer-Sprecherin Susanne Müllejans.

Wenn mal jemand überführt wird, würden oft geringe Geldstrafen verhängt, beklagt der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (apm) der deutschen und europäischen Wirtschaft. Die Unternehmen fordern ein Mindeststrafmaß für die Marken- und Patentrechtsverletzungen von einem halben Jahr Haft.

Als Mittel gegen die Produktpiraten setzt die Industrie außerdem auf Markierungssysteme für Autoteile. Namhafte Zulieferer wie Bosch, Continental oder ATE haben sich dabei zu der Initiative MAPP (Manufacturers against Product Piracy) zusammengeschlossen und versehen ihre Ersatzteile mit elektronischen Codes, die in der Werkstatt ausgelesen werden können. So gibt es schnell und sicher Auskunft über Echtheit oder Fälschung. Ganz ähnlich funktioniert das konkurrierende System des TÜV Rheinland mit Sicherheitscodes (Pacs), die in ein Sicherheitshologramm integriert werden.

Das ist hoher technischer Aufwand. Mindestens genauso gut wirkt oft der gesunde Menschenverstand. „Achten Sie auf den Preis“, rät der TÜV-Sachverständige Sander, „Sie würden doch auch kein 350-Gramm-Filetsteak für 2,50 Euro kaufen.“

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