Berliner sammelt filmreife Fahrrad-Oldtimer

Berlin (dpa) - Ulrich Feick hat nie einen Führerschein, dafür aber seine Leidenschaft für Fahrräder zum Beruf gemacht. Mit Gleichgesinnten trifft er sich zu Ausflügen auf Oldtimern - natürlich stilecht.

Wollte Ulrich Feick mit seinem ältesten Rad auf Tour gehen, müsste er erst die von Holzwürmern angefressenen Speichen austauschen. Das 1870 von einem Dorfschmied gefertigte Rad aus Holz und Stahl ist nicht mehr fahrtüchtig und ein eher unbequemer Knochenschüttler.

Feick greift lieber auf ein jüngeres Modell von 1907 zurück, ein Tourenrad der Firma August Stukenbrock aus dem niedersächsischen Einbeck, immerhin mit Drahtspeichen und Luftreifen. Dazu zieht der stattliche 1,92-Meter-Mann mit Zwirbelbart gern Schiebermütze, Sakko samt Taschenuhr, Knickerbocker und klassische Lederschuhe an. Der in Berlin-Spandau geborene und lebende 51-Jährige liebt und sammelt historische Fahrräder. Mit Gleichgesinnten vom Verein „Historische Fahrräder Berlin“ unternimmt er regelmäßig Ausfahrten in Berlin und Brandenburg - in passenden Kostümen, versteht sich.

Einmal jährlich gibt es sogar eine nächtliche Tour, bei der die antiken Kerzen-, Öl- und Karbidlampen an den Rädern zur Geltung kommen. Tagsüber ist Feick vor allem am Vereinssitz, seinem Spandauer Fahrradladen und dem benachbarten kleinen Museum anzutreffen, das er vor drei Jahren eröffnet hat. Auf 20 Quadratmetern zeigt er hier einen Teil seiner rund 200 Räder und dokumentiert damit Fahrradgeschichte vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre.

In dem mit Jugendstilornamenten verzierten Raum steht ein Klassiker neben dem anderen: plumpe, hölzerne Vorgänger der heutigen Metallmodelle, ein Hochrad. In der Reihe der bequemeren Untersätze steht ein so genanntes Kardan-Rad mit Wellenantrieb von 1920. „Da bleibt die Hose sauber, aber der Antrieb ist weniger effektiv als eine Kette“, erklärt Feick.

An einem edlen, schwarzen Modell von Mercedes von 1924 weist er auf das spitz zusammenlaufende Steuerrohr hin: „Auch der Autokühler bei Mercedes lief früher spitz zu.“ Fahrräder waren laut Feick aber nur eine kurze Episode in der Geschichte des Autoherstellers. „Sie wurden nur von 1924 bis 1926 in Berlin-Marienfelde produziert.“ Aus den 1930ern und 40ern hat Feick unter anderem Touren- und Rennräder der Marken Adler und Diamant.

Das meiste, was nach dem Zweiten Weltkrieg kam, ist für ihn nur noch „billiger Einheitsbrei“. „Es gibt heute einfach keine Fahrradkultur mit schönen Rädern mehr“, meint Feick. Auf ein Bonanza-Rad aus den 1970ern wollte er aber dennoch nicht verzichten: „Das war der Traum unserer Jugend“.

Seine Fahrräder, die er oft von Kunden bekommt, haben es inzwischen zu einiger Bekanntheit gebracht. Das Fahrrad des Dorflehrers im preisgekrönten Film „Das weiße Band“ (2009) ist eine Leihgabe aus Feicks Sammlung. Auch für „Effi Briest“ und eine Dokumentation über die Flick-Familie steuerte der Sammler Fahrräder bei.

Mit seiner Leidenschaft ist er nicht allein. In Deutschland gibt es verschiedene Fahrradmuseen. Das „Deutsche Fahrradmuseum“ im bayerischen Bad Brückenau zeigt die eigenen Angaben zufolge größte Sammlung.

Die organisierte Sammlerszene ist recht überschaubar. Der Verein „Historische Fahrräder“ hat laut Vorstandsmitglied Kyra Elsässer-Büssing rund 500 Mitglieder in ganz Deutschland, von denen sich viele bei der jährlichen „Velocipediade“ treffen. Dieser Höhepunkt im Vereinsleben findet in diesem Jahr vom 26. bis 28. August in Leipzig statt.

Die Berliner Raritäten-Radler treffen sich bereits vorher. Die nächste Tour ist zu Himmelfahrt am 2. Juni geplant. Dann geht es ins Zweiradmuseum ins brandenburgische Werder/Havel. Die dortige Leiterin Rosemarie Jordan ist auch ein Oldtimer-Fan. Mit ihrem historischen Dreirad ist sie mehrfache Weltmeisterin geworden.

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