„Coaching durch die Eltern“ - Zehn Jahre Führerschein mit 17

Hannover (dpa) - Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland das begleitete Fahren ab 17. Nach anfänglicher Skepsis und vielen Diskussionen ist das Modell heute bundesweit ein Hit.

„Coaching durch die Eltern“ - Zehn Jahre Führerschein mit 17
Foto: dpa

Der Widerstand war groß. Aber heute sind auch die Kritiker froh, dass es ihn gibt: „Der Führerschein mit 17 ist sehr erfolgreich“, sagt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht. Vor zehn Jahren, am 19. April 2004, führte Niedersachsen als erstes Bundesland in einem Modellversuch das Angebot ein. Jugendliche machen eine Führerscheinausbildung inklusive Prüfung, bevor sie 18 Jahre alt sind. Als 17-Jährige dürfen sie in Begleitung eines erfahrenen Autofahrers hinterm Steuer sitzen. Mit 18 bekommen sie ihren „Lappen“ - der heutzutage eine Karte ist.

Inzwischen gibt es Studien über den Effekt. Demzufolge wird durch das begleitete Fahren das Unfallrisiko in den ersten beiden Jahren des selbstständigen Fahrens um 20 Prozent verringert. „Damit erweist sich das begleitete Fahren ab 17 unter allen Fahranfängermaßnahmen als die Maßnahme mit der weitaus höchsten Sicherheitswirksamkeit“, heißt es dazu aus der Bundesanstalt für Straßenwesen.

Der positive Effekt des begleiteten Fahrens bestehe darin, dass die jungen Autofahrer nach ihrer Fahrprüfung nicht sofort alleine im Auto sitzen, sondern noch viele Monate ständig von einem erfahrenen Erwachsenen begleitet werden, der Tipps und Hinweise geben kann, erklärt Herlan. „Das ist also eine Art Coaching durch die Eltern.“

Zum Start des niedersächsischen Modellversuchs gab es durchaus heftige Kritik. Der ADAC befürchtete zum Beispiel einen rasanten Anstieg der Unfälle unter Fahranfängern. Inzwischen - nach den positiven Ergebnissen - ist auch aus dem Münchner Autoclub ein Befürworter geworden. „Wir haben dazugelernt“, sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. Aber dennoch sehen der ADAC und auch andere noch Potenzial für Verbesserungen. „Es kann nicht jeder mitmachen, das ist das Ungerechte daran“, sagt Hölzel.

Denn nicht in jeder Familie gibt es ein Auto für die Jugendlichen, geschweige denn Zeit der Erwachsenen, immer als Begleiter zur Verfügung zu stehen. Es sei daher wichtig, das begleitete Fahren auch für Leute zugänglich zu machen, deren Familien die Voraussetzungen nicht mitbringen, sagt Rainer Hillgärtner, Sprecher beim Auto Club Europa (ACE).

Der ADAC setzt sich sogar für eine Reform der Führerscheinausbildung mit zwei Stufen ein. „Wir sind der Ansicht, dass es eine zweite Phase braucht, die weiter geht, etwa mit verkehrspsychologischen Seminaren oder speziellen Trainingsangeboten“, sagt Hölzel. Denn auch trotz solcher Angebote wie dem begleiteten Fahren baut die Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren immer noch die meisten Unfälle.

Der Konkurrenzclub ACE widerspricht. Die Fahrausbildung zu optimieren, auch in der Form einer Nachbereitung: dagegen spreche nichts, räumt Hillgärtner ein. Seminare oder Schulungen auf Trainingsplätzen machten aber keinen Sinn, findet der ACE. „Das muss im öffentlichen Verkehrsraum geübt werden“, fordert Hillgärtner. Ein Fahrlehrer könne beispielsweise Tipps geben, wenn es mit dem Schulterblick noch nicht so richtig klappt. Vor allem müsse der Führerschein bezahlbar bleiben. Mindestens 1500 Euro koste heute schon die Fahrausbildung.

Zum Jubiläum jedenfalls sind die Verantwortlichen im niedersächsischen Verkehrsministerium zufrieden. Seit 2008 haben alle Bundesländer den „Führerschein mit 17“ eingeführt, 2011 ist aus dem Modellversuch eine bundesweit gesetzlich geregelte Möglichkeit geworden.

In Niedersachsen setzen inzwischen 50 Prozent aller Fahranfänger auf das begleitete Fahren, sagt Sabine Schlemmer-Kaune, Sprecherin im Verkehrsministerium in Hannover. Bundesweit sind es immerhin 40 Prozent.

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