Der böse Blick wird schick: Frontdesign von Autos

Frankfurt/Main (dpa/tmn) -Viele Serienmodelle und Konzeptfahrzeuge auf der IAA haben eins gemein: extrem schmale Scheinwerfer. Das lässt die Leuchten wie zusammengekniffene Augen wirken und sorgt für einen bösen Auto-Blick.

Ein Münchner Professor findet das beängstigend.

Die Scheinwerfer links und rechts wirken wie Augen, dazwischen das Markenemblem wie eine Nase, und der Kühler könnte der Mund sein. Man braucht nicht viel Fantasie, um in der Front von Autos Gesichter zu sehen. Und die verfinstern sich zusehends. Wer den neuen Serienmodellen und insbesondere den automobilen Visionen auf der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt (15. bis 25. September) tief in die Leuchten schaut, stellt schnell fest: Der böse Blick wird schick.

In erster Linie sei das der vergleichsweise neuen technischen Möglichkeit geschuldet, komplette Scheinwerfer mit winzigen LED-Dioden zum Leuchten zu bringen, erklärt Steffen Pietzonka vom Autozulieferer und Lichtspezialisten Hella. BMW zeigt auf der IAA erste Laser-Dioden, die sogar noch 100 Mal kleiner als die nur einen Millimeter großen LEDs von heute sind. Wo einst Glasbirnen in großen Scheinwerfergehäusen glühten, bleiben immer häufiger nur noch grell leuchtende LED-Schlitze. Die erinnern an zusammengekniffene Augen, wodurch der Eindruck eines grimmigen Blicks entsteht.

Paradebeispiele für finstere Autogesichter sind die Studien Ford Evos, BMW i8 oder Mercedes Concept A. Beim Evos sind die Scheinwerfer besonders schmal, dazwischen prangt ein riesiger Kühlergrill wie ein aufgerissenes Fischmaul. Dass die Leuchtschlitze leicht schräg in die Karosserie integriert sind und nach innen spitz zulaufen, verstärkt beim Betrachter das Gefühl, dass der Evos eher ein angriffslustiger Blechkamerad ist. In Zukunft könnte dieser Blick bei Ford Standard werden: Das Konzept legt „die Kernelemente der neuen Design-Sprache für die nächsten Modellgenerationen der Marke fest“, erklärt Exterieur-Chefdesigner Stefan Lamm.

Die Designer von Renault und Citroën haben sogar jenen Studien finstere Minen aufgesetzt, die von der Idee her in Zukunft als Familienautos vorstellbar wären. Wobei der Kleinbus Citroën Tubik in der Frontansicht garstiger wirkt als der Hochdachkombi Renault Frendzy, weil er die schmaleren Scheinwerfer hat - und das größere (Kühler-)Maul.

Für Peter Naumann haben Autogesichter wie diese etwas beängstigend Raubtierhaftes. Naumann ist Professor an der Hochschule München, spezialisiert auf Industrie- und Fahrzeugdesign. Und Raptoren auf Rädern bereiten ihm Bauchschmerzen. Denn grimmige Blechminen transportierten Aggressionen in den Straßenverkehr, sagt Naumann.

Tauchen Autos mit bösem Blick im Rückspiegel auf, könnten sich Vorausfahrende bedrängt oder sogar zum Spurwechsel genötigt fühlen, meint der Professor. Diese Aggressionen könnten auf den Fahrer überspringen, wenn der sich auf das „hohe Überholprestige“ seines Wagens mit wilder Frontoptik verlasse und gnadenlos Gas gebe, so Naumann. Aggressive Autogesichter seien deshalb nicht zeitgemäß. Vielmehr komme es bei der zunehmenden Verkehrsdichte auf die Kooperationsbereitschaft von Autofahrern an, damit am Ende alle unfallfrei ans Ziel gelangen.

Aggressiv - dieses Wort hören die meisten Autohersteller gar nicht gern. Sie sprechen mit Blick aufs Fahrzeugdesign lieber von „sportlich“ oder „markant“, wie etwa Ford-Designer Lamm. Und wenn Nicolas Huet aus der Design-Abteilung von BMW erklärt, warum die eigentlich kreisrunden Xenon-Linsen in den Scheinwerfern der neuen 1er-Generation an Ober- und Unterseite abgeflacht wurden, dann klingt das so: „Das Auto kneift jetzt frech die Augen zusammen.“

Ob Design-Kniffe wie dieser ein Autogesicht nun frech, sportlich oder aggressiv wirken lassen, und ob man Gefallen daran findet oder nicht, ist Ansichtssache - und eine Frage der Definition. Selbst Prof. Naumann sieht längst nicht in jeder Autofront mit Schlitzleuchten und großen Lufteinlässen eine furchteinflößende Autofratze. „Doch es ist extrem schwierig, Fahrzeugen mit diesen Design-Elementen eine aggressionsfreie Ästhetik zu verleihen.“

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