Haute Voiture: Die neue Automode aus Paris

Paris (dpa/tmn) - Mag ja sein, dass aus Paris die teuersten Kleider kommen. Doch wenn es um PS-Premieren geht, pflegt man an der Seine einen weniger exklusiven Geschmack. Denn es sind vor allem Kleinwagen und Familienautos, die beim Pariser Salon den Ton angeben.

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Eine Uhr für ein paar Hunderttausend Euro, ein Ring für den Wert einer Eigentumswohnung und Kleider zu Preisen, die anderen für einen ganzen Urlaub reichen - in der Rue Faubourg Saint Honoré in Paris sitzen die Kreditkarten locker. Doch nur ein paar Kilometer weiter auf der anderen Seite der Seine geht es in diesem Jahr sehr viel bürgerlicher zu. Denn wo die PS-Branche auf dem Automobilsalon (Publikumstage: 4. bis 19. Oktober) die aktuelle Herbstmode ins Rampenlicht rückt, sind teure Traumwagen in der Unterzahl.

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Natürlich dürfen ein paar Eyecatcher wie der Mercedes GT als neuer Konkurrent für den Porsche 911, ein rekordverdächtiger Ferrari 458 Roadster und Studien wie ein 670 kW/910 PS starker Hybrid-Sportwagen von Lamborghini, der wie aus Quecksilber gegossene Infiniti Q80 oder ein aufgebockter Peugeot Quartz im Endzeit-Design nicht fehlen. Doch die Musik auf der Messe machen in diesem Jahr die bezahlbaren und weniger ausgefallenen Autos.

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Das beginnt in der Mittelklasse mit Neuheiten wie dem Jaguar XE und der achten Auflage des VW Passat, die einmal von oben und einmal von unten Dauerbrenner wie die Mercedes C-Klasse oder den 3er BMW in die Zange nehmen. Es reicht über das schier unaufhaltsam wachsende Heer der SUV-Modelle mit Neuzugängen wie dem Kia Sorento, Suzuki Vitara, Honda HR-V, Ford Edge oder Land Rover Discovery und dem BMW X6 als einzigem Ausreißer mit Luxus-Ambitionen. Und es gipfelt in einem Zwergenaufstand.

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Es sind nämlich vor allem die Kleinwagen, die in Paris ihren großen Auftritt haben. Auf den neuen Renault Twingo vom Genfer Salon im Frühjahr folgt jetzt der deutsche Zwilling Smart, der sich im Schatten des Eiffelturms erstmals auch wieder als Viertürer zeigt. Opel schickt die nächste Generation des Corsa ins Rennen. Hyundai will mit dem neuen i20 zu den europäischen Stammspielern aufschließen. Und der Mini als Ur-Modell des wendigen Stadtflitzers rüstet sich mit der ersten fünftürigen Version des Hatchbacks für den verschärften Wettbewerb.

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Auch am größenmäßig anderen Ende der Skala gibt die Vernunft den Ton an. Denn wer in der Fünf-Meter-Klasse neue Luxuslimousinen sucht, der muss schon ganz genau hinschauen, bis er zum Beispiel einen Bentley Mulsanne Speed mit 395 kW/537 PS oder einen aufgefrischten Rolls-Royce Ghost findet. Viel eher ins Auge fallen da schon der neue Ford S-Max und der neue Renault Espace, die auf ähnlich viel Raum bis zu sieben Personen Platz bieten und das Comeback der Großraumlimousine einleiten sollen. Allerdings nicht mehr mit hohem Dach und aufrechten Flanken, sondern schief und schnittig: „Wir orientieren uns am SUV und entwickeln den Van zum Crossover“, sagte Renault-Designchef Laurenz van den Acker über seinen neuesten Entwurf.

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Ob Kleinwagen, Van oder SUV: Was in Paris kaum eine Rolle spielt, sind die Motoren unter dem neuen Blech. Natürlich prahlt VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer mit dem 147 kW/200 PS starken V2-Motorradmotor aus einer Ducati, wenn er über die maximal 270 km/h des XL Sport spricht. Bei Mercedes ist man stolz auf die bis zu 375 kW/510 PS des neuen AMG C 63. Und die wenigen halbwegs neuen Elektroautos wie die Mercedes B-Klasse oder der Kia Soul werden in ein entsprechend grünes Licht getaucht. Doch im Grunde gewinnt man den Eindruck, dass längst andere Eigenschaften wichtiger geworden sind als Leistung, Drehmoment oder Spitzentempo: Design, Infotainment, Komfort und Connectivity - das sind in den Augen vieler Entwickler und Entscheider die großen Themen der nächsten Jahre.

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Der CO2-Ausstoß spielt in diesem Jahr überraschenderweise eine untergeordnete Rolle. Ganz offensichtlich nimmt man der Industrie mittlerweile ab, dass sie mit den vielen Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Modellen, die in Paris ganz selbstverständlich präsentiert werden, schon irgendwie das Flottenziel von 95 Gramm pro Kilometer bis 2020 schaffen wird.

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Weitergehende Forderungen allerdings weisen die Branchenführer in Paris von sich: Angesichts von 100 Millionen Euro, die VW nach eigenen Angaben für jedes Gramm weniger Flottenemission in neue Technologie investieren muss, forderte zum Beispiel Konzernchef Martin Winterkorn ein maßvolles und überlegtes Vorgehen: „Den dritten Schritt vor dem ersten zu machen, wäre fatal“, sagte er mit Blick auf Hunderttausende Arbeitsplätze, die an der Autobranche hängen.

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Wenn sich Brüssel von dieser Warnung beeindrucken lässt, dürfte auch auf kommenden Messen der Antrieb weiter ins Abseits rücken. Und wenn nicht? Dann bekommen die Ingenieure wieder Oberwasser: Die Technik wird noch wichtiger, und die Automode in Paris und jeder anderen Stadt könnte sich viel gravierender verändern - und vielleicht so teuer werden, dass es im Messezentrum Palais d'Exposition genauso locker sitzende Kreditkarten braucht wie in der Rue Faubourg Saint Honoré.

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