Neuer Pragmatismus - Genf entdeckt das Alltagsauto

Genf (dpa/tmn) - Faszinierende Studien und hochtrabende Visionen - auch die gibt es auf dem Genfer Automobilsalon. Doch mehr denn je achtet die Branche auf Bodenhaftung und präsentiert vor allem Autos für den Alltag.

Alternative Antriebe spielen nur noch eine Nebenrolle.

„Willkommen im Auto-Frühling“ - viel passender hätte VW seine Pressekonferenz auf dem Genfer Autosalon (Publikumstage: 8. bis 18. März) kaum beginnen können. Denn wie keine andere Messe steht der Branchengipfel in der Schweiz für Optimismus und Aufbruch. Haben die Autohersteller dabei zuletzt gern den Blick in die ferne Zukunft geprobt, bewahren sie dieses Mal Bodenhaftung.

Nicht faszinierende Studien, hochtrabende Visionen und innovative Technologieträger stehen im Rampenlicht. Die Stars der Show sind Autos wie der neue Audi A3, die Mercedes A-Klasse, der Peugeot 208 oder der Kia Cee'd, die fast unmittelbar nach der Messe schon beim Händler stehen sollen. Fahrzeuge für den Alltag also, mit zivilem Preisniveau im Vergleich zu den Dream-Cars.

Das gilt auch für viele Neuheiten, mit denen die Hersteller neue Nischen schaffen: „Nie war es so leicht, neue Varianten zu entwickeln wie heute“, sagt Mercedes-Designer Steffen Köhl. Dank Plattformstrategien und Komponentenbaukästen lassen sich heutzutage neue Fahrzeuge schnell auf die Räder stellen. So erklärt sich auch, weshalb Opel dank der Bauteile aus dem Corsa vergleichsweise schnell den kleinen Geländewagen Mokka parat hat, weshalb bei Ford jetzt unter S-Max und C-Max ein kleiner Van namens B-Max auf Familienfang geht und weshalb der Fiat 500 nun als Stretchversion zum Viertürer mit vernünftigem Platzangebot im Fond wird.

Selbst der Dacia Lodgy, mit dem die Renault-Schwester ihr Angebot um ihren ersten Van erweitert, stammt aus einem Baukasten. Als Basis dient nach Angaben des Unternehmens der Vorgänger des aktuellen Renault Scénic. Ebenfalls ein Kind des Baukastens ist der Seat Toledo, mit dem die spanische VW-Tochter wieder auf die Erfolgsspur finden will. „Die Legende ist zurück“, wirbt Firmenchef James Muir und verspricht für das sportlich gezeichnete Stufenheck ein Preisniveau, das seines gleichen suchen werde. Mehr als 15 000 Euro, so hört man bei den Spaniern, soll der Wagen nicht kosten. Ab Herbst wird er verkauft.

Zurück zur alten Stärke - das gilt auch für Neuheiten wie den Mitsubishi Outlander oder den Honda CR-V. Andere Marken dagegen versuchen ihr Glück auf neuem Terrain: Chevrolet bringt den Cruze erstmals als Kombi. Nissan stellt mit dem Invitation nicht nur den Nachfolger des Note in Aussicht, sondern präsentiert mit dem Hi-Cross-Concept auch den Entwurf für einen großen Bruder des Qashqai. Und Mini macht aus dem Clubman einen Clubvan.

Zwar geben in Genf die Alltagsautos den Ton an. Doch ist der Messerundgang immer auch ein Bummel über den Boulevard der Traumwagen. Dafür stehen in diesem Jahr Serienneuheiten wie der F12berlinetta, den Ferrari als das stärkste und schnellste Straßenmodell der Firmengeschichte feiert oder, für den, der es bei aller Noblesse gemütlicher mag, der überarbeitete Rolls Royce Phantom. BMW präsentiert unter anderem das 5er Grand Coupé, und Porsche zeigt in Genf den neuen Boxster. Er kostet ab gut 48 000 Euro etwa halb so viel wie der offene 911.

Als erstes SUV der Luxusklasse wird wohl in drei Jahren der gewaltige Bentley EXP9F mit Zwölfzylindermotor in Serie gehen, der am Stand der Briten parkt. Auch der Infiniti Emerg-E mit seinem elektrischen Range-Extender-Antrieb schafft es auf die Straße. Denn zumindest zwei funktionsfähige Prototypen wollen die Japaner im Lauf des Jahres aufbauen.

Damit markiert der geräuschlose Tiefflieger eine Sonderstellung: Er gehört zu den wenigen Messeautos, die noch am E-Antrieb festhalten. Waren die vergangenen Jahre in Genf geprägt von einer elektrischen Euphorie, regiert in diesem Jahr eine große Ernüchterung: „Der Verbrenner feiert sein Comeback“, urteilen Experten wie der Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer. Bestätigung findet diese Einschätzung in den neuen Dreizylinder-Benzinern bei Ford oder Peugeot. Oder den Vierzylindermotoren mit Zylinderabschaltung, die etwa VW im neuen Polo BlueGT einbaut. Der Wolfsburger benötigt im Schnitt nur 4,5 Liter Sprit.

Abgesehen von der Premiere des Renault Zoe, ist von Elektroautos auf dieser Messe kaum die Rede. Mit einer weiteren Ausnahme: Die beiden elektrischen Zwillinge Chevrolet Volt und Opel Ampera sind in Genf gerade zum Auto des Jahres gekürt worden. Kurz darauf wurde bekannt, dass GM mangels Nachfrage die Produktion für fünf Wochen anhält. Der Hybridantrieb dagegen soll nun endlich den Massenmarkt erobern: Toyota zeigt den Yaris Hybrid, den die Japaner Mitte Juni zu einem Kampfpreis von 16 900 Euro anbieten.

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