Plastikschüsseln Marke Eigenbau - Replica-Szene in Deutschland

Berlin (dpa/tmn) - Missbilligt und bewundert zugleich: Fahrer von Nachbauten klassischer Autos werden von Oldtimer-Besitzern nicht ganz für voll genommen. Doch beim Schrauben genießen die Halter der Repliken einen guten Ruf: In vielen Stunden bauen sie ganze Autos selbst.

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Rund 1800 Arbeitsstunden hat Peter Löw an seinem Auto geschraubt - dann war es fertig. Ein Jaguar S.S. 100 stand nach schweißtreibender Arbeit vor ihm. Über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren, vor allem nach Feierabend oder im Urlaub, entstand das Auto quasi aus dem Nichts. Klopft man auf den Kotflügel des edlen Briten, kommt allerdings ein erster Verdacht auf - nach Blech klingt das nicht. „Die Karosserieteile sind aus Fiberglas“, sagt der gelernte Elektroingenieur. Bei einem Original des ursprünglich zwischen 1935 und 1940 gebauten Klassiker ist das anders.

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Löws Jaguar ist kein wiederaufgebautes Original, sondern eine Replica. „Bei diesen Autos handelt es sich um dem Original meist nur optisch nachempfundene Fahrzeuge“, erklärt Norbert Schröder vom TÜV Rheinland. Von Fahrern echter Oldtimer wird das oft belächelt.

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„Fahrer von Repliken haben oft keinen Zugang zu Veranstaltungen mit wertvollen Originalen wie Concours d'Elegance“, sagt Schröder. Und Hersteller, die in ihrer Ahnengalerie wahre Klassiker führen, beargwöhnen die Szene mitunter. So ließ Mercedes 2012 die Karosserie eines 300 SL Flügeltürers vernichten. Der Zoll hatte den Nachbau eines deutschen Unternehmens zuvor beschlagnahmt. „Wir möchten die schützen, die die Originale besitzen“ rechtfertigt Birgit Pillkahn von Mercedes-Benz Classic den „Gebrauchsmusterschutz für die Karosserie des 300 SL“, der zu der Aktion führte.

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Auch auf der Oldtimer Messe Techno Classica (26. bis 30. März) in Essen wurde das Thema Replica schon erörtert. Dabei ist die organisierte Szene klein: 300 Mitglieder und 160 Fahrzeuge zählt Löws Oldtimer Replica Club (ORC) im hessischen Breuberg. Einmal jährlich treffen sich die Freunde der oft als Fake-Autos verschrienen Gefährte. „Der Laie kann den Unterschied zwischen einer gut gemachten Replica und einem Original auf den ersten Blick nicht feststellen“, sagt Löw. „Dabei fahren 90 Prozent aller Repliken in Deutschland mit dem Chassis vom VW Käfer.“

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Dennoch ist ein Nachbau alltagstauglicher als ein seltener Oldtimer: „Sie können mit einer Replica bei technischen Problemen in jede moderne Werkstatt fahren“, erklärt Schröder. Denn unter dem Kunststoff sei in den allermeisten Fällen vergleichsweise moderne Großserientechnik verbaut, mit der die Werkstattmitarbeiter klarkämen. Außerdem seien die Autos sicherer, sparsamer und umweltfreundlicher, anders als bei richtigen Oldtimern führen sie oft mit einem Katalysator.

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Und Repliken sind weit billiger als Original-Fahrzeuge. „Ein Jaguar S.S. 100 von damals wird im Zustand 2 derzeit mit rund 100 000 Euro taxiert, eine gut gemachte Replica liegt bei 20 000 bis 25 000 Euro“, sagt Löw. Allerdings kann ein früher Nachbau des Porsche 550 Spyder gut und gerne 130 000 Euro kosten - das Original liegt laut Schröder allerdings bei rund zwei Millionen.

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Mit einem H-Kennzeichen können Repliken aber nur zugelassen werden, wenn sie selbst im Oldtimer-Alter von 30 Jahren und mehr sind. Deshalb „werden sie ganz normal nach Hubraum und CO2-Ausstoß besteuert“, sagt Schröder. Auch die Versicherung könne teurer werden.

Nicht umsonst gelten Fahrer von Repliken meist als die besseren Schrauber: „Ich war viel auf Schrottplätzen unterwegs“, sagt Löw. Die Fiberglasteile aus England musste sich der Autofan nach Originalplänen selbst zurechtschneiden. „Die Mehrheit unserer Mitglieder haben sich ihr Auto selbst gebaut. Das ist ein größerer Einsatz, als 100 000 Euro für einen Oldtimer vom Konto zu nehmen“, findet der Replica-Fahrer.

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