Raser und Rotlichtsünder: Vor dem Blitzer sind alle gleich

Hamburg (dpa/tmn) - Wer im Straßenverkehr geblitzt wird, muss meistens auch bezahlen. Zu hohes Tempo oder eine rote Ampel lassen sich kaum wegargumentieren. Im Zweifel sind beschuldigte Autofahrer nicht völlig machtlos.

Raser und Rotlichtsünder: Vor dem Blitzer sind alle gleich
Foto: dpa

Die Stadt ist fremd, die Beschilderung unübersichtlich - und dann auch noch das: zu schnell gefahren. Der grelle Blitz sorgt für ein jähes Abbremsen, während ortsansässige Autofahrer achselzuckend mit erlaubtem Tempo vorbeirollen. So etwas passiert immer wieder und wirft die Frage auf: Ist es gerecht, dass ortsfremde Fahrer bei Geschwindigkeitskontrollen unter Umständen eher erwischt werden, weil sie fest installierte Blitzer nicht kennen? Die Argumentation: Ausgehend von dem im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheitsprinzip finde hier eine Ungleichbehandlung statt.

Die Hamburger Verkehrsrechtsanwältin Daniela Mielchen sieht durchaus Chancen für einen erfolgreichen Einspruch: „In einem Bußgeldverfahren könnte sich ein Ortsunkundiger etwa bei einer unübersichtlichen Kreuzung auf leicht fahrlässiges Handeln berufen und auf ein sogenanntes Augenblicksversagen plädieren.“ Im Zivilverfahren hingegen werde gerade von ortsunkundigen Fahrern erwartet, dass sie besonders vorsichtig sind. Dieser Meinung ist auch ADAC-Jurist Jost Kärger, der das Gleichheitsprinzip im Falle von Tempoverstößen allgemein eher auf die Straßenverkehrsordnung angewendet sieht: „Wenn Schilder da sind, gibt es kein Argument, sich nicht daran zu halten.“

Für Detlev Lipphard vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) sind eventuelle juristische Lücken bei Tempoverstößen indiskutabel. Er hält den „Sicherheits-Blitz“ für unverzichtbar, denn der diene vor allem der Vermeidung von Unfällen. „Kontrolliert wird auf Streckenabschnitten mit hohen Unfallzahlen und an sogenannten Schutzbereichen wie Schulen oder Kindergärten“, erläutert Lipphard. Der Vorher-Nachher-Vergleich zeige, dass die Unfallzahlen sinken.

In Deutschland gibt es rund 3000 fest installierte Blitzer, die gemeinhin auch als Starenkästen bezeichnet werden, inzwischen aber auch als schlanke Säulen an den Straßen stehen. Dazu kommen mobile Kontrollen. Die Geschwindigkeitsüberwachung ist grundsätzlich Ländersache und wird von Polizei und Kommunen durchgeführt. „Der Anteil kommunaler Überwachung hat in den vergangenen Jahren sicherlich zugenommen“, sagt Lipphard. Kritiker meinen, das gehe mit den Einnahmen in Millionenhöhe durch die verhängten Bußgelder einher. Laut Kärger ist es „kein Geheimnis, dass in den Haushaltsplanungen vieler Kommunen die Einnahmen durch Blitzer ein fester Posten sind.“

Wer bei einem Tempoverstoß in flagranti erwischt wird, ist nach Ansicht von Anwältin Mielchen gut beraten, erst einmal zu schweigen. „Angaben zur Sache sollte man auf keinen Fall machen. Eine gewisse Auskunftspflicht besteht nur zum Führerschein und zu den eigenen Personalien.“ Niemand müsse sich selbst belasten, was in der Aufregung aber schnell passiere. Kommt dann der Bußgeldbescheid mit Anhörungsbogen per Post, sollte in Ruhe abgewogen werden, ob ein Einspruch sinnvoll ist. „Die Erfahrung zeigt, dass in 85 Prozent aller Fälle ein Fahrverbot verhindert werden kann. Zudem sind gut die Hälfte aller Messungen nicht beanstandungsfrei“, meint Mielchen.

Sieht sich ein Autofahrer zu Unrecht verwarnt, sind die eigenen Möglichkeiten nach Ansicht von ADAC-Jurist Kärger aber begrenzt. „Ohne Rechtsanwalt kommen Sie in der Regel nicht an die Ermittlungsakte heran und können diese auch inhaltlich gar nicht beurteilen.“ Und ohne Akteneinsicht lässt sich ein Widerspruch, der innerhalb von 14 Tagen möglich ist, oft nicht begründen. Ganz wichtig: Wer widerspricht, muss damit rechnen, dass der Fall vor Gericht landet. Dann hilft eine Rechtsschutzversicherung, denn dadurch können schnell Kosten zwischen 500 und 1000 Euro entstehen.

Was viele Autofahrer nicht wissen: Längst nicht alle Starenkästen am Straßenrand sind geladen. Nur jeder vierte oder fünfte sei mit einer Kamera bestückt, sagt DVR-Mann Lipphard. Meist würden die Kameras für ein bis drei Tage installiert und dann in den nächsten Kasten kommen. Hauptgrund dafür seien die hohen Anschaffungskosten von etwa 40 000 Euro aufwärts. Allein die Präsenz der Kästen reiche aber aus, um das Unfallrisiko auf einer Strecke von einem Kilometer signifikant zu senken.

„Manche Autofahrer meinen, von außen erkennen zu können, ob ein Starenkasten scharf ist oder nicht - aber das ist ein Märchen“, sagt Lipphard. Als „Stille Diener“, wie der DVR-Experte die unbestückten Starenkästen nennt, erfüllen die leeren Gehäuse in jedem Fall den gleichen Zweck. Und darauf bauen, dass die Kästen nach drei Tagen tatsächlich wieder leer sind, sollten Autofahrer lieber nicht.

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