„Riesenschnitzel reicht nicht mehr“ - Rasthöfe wandeln sich

Düsseldorf (dpa) - Currywurst-Pommes oder Buletten mit Senf - das war das Wichtigste im Rasthof. Heute sind auch an Autobahnen eher leichte Gerichte gefragt. Aber schnell muss es gehen, immer schneller.

„Riesenschnitzel reicht nicht mehr“ - Rasthöfe wandeln sich
Foto: dpa

Am Buffet gibt es indonesischen Hähnchensalat, Dinkelschnitten an Frischkäse und Carpaccio mit Pfifferlingen. Für ein Bistro in der Innenstadt mit Mittagstisch wäre das Angebot nicht ungewöhnlich, an der Autobahn-Raststätte Resser Mark in Gelsenkirchen kommt es für einige überraschend. „Was ist denn mit Currywurst?“, fragt ein Reisender und wendet sich suchend von der gesunden Auslage ab. Weiter hinten am Bratrost winkt schon Köchin Irmchen - natürlich gibt es die Klassiker noch. Die Ehefrau dagegen bleibt am Buffet und stellt sich einen gemischten Teller zusammen.

Raststätten und Autohöfe bringt man von jeher nicht mit kulinarischen Highlights zusammen. „Dabei hat sich viel getan“, sagt Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky vom Leipziger Institut 2b Ahead. „Früher gab es keine Konkurrenz untereinander, das Geschäft hing nicht davon ab, attraktiv zu sein.“ Mit dem Wettbewerb um die sauberste Toilette sei der Wandel eingeleitet worden - der sich auf das gesamte Ambiente und das Angebot auswirkt. Auch der Café-Bar-Trend hat sich an der Autobahn durchgesetzt. „Viele Kaffee-Läden, die wir aus Innenstädten kennen, bieten jetzt auch an Raststätten Stände oder loungeartige Sitzecken an“, sagt Jánszky.

Das Unternehmen Tank und Rast, das in Deutschland 390 Raststätten betreibt, macht seit Jahren einen anhaltenden und immer stärker werdenden Trend zu leichten Gerichten aus, sagt Sprecherin Bettina Schaper. „Die neueste Entwicklung ist die Snackisierung, also Zwischenmahlzeiten wie italienische Panini, die frisch und schnell zubereitet werden.“

Schnell ist das Stichwort, denn wer an Raststätten hält, will nur eins: Schnell wieder weg. Bevor sich der nächste Stau anbahnt und der Schnitt kaputt ist. „Sechs Stunden Recklinghausen-München, das ist das Ziel. Die Kinder haben noch schnell ein Eis gekriegt, jetzt geht's zurück auf die Bahn“, sagt Autofahrer Michael Wermeckes und winkt seine Familie energisch Richtung Kombi.

Im Schnitt machen deutsche Urlauber nach ADAC-Angaben 13 bis 15 Minuten Pause - vor 20 Jahren war es noch eine halbe Stunde. „Auch unsere Philosophie ist: Schneller werden“, sagt Herbert Quabach, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda). Fast überall gebe es an das Gasthaus angeschlossene Fast-Food-Ketten. In den Restaurants selbst würden regionale Gerichte angeboten. „Unsere Autohöfe liegen ländlich, da nutzen wir die Produkte.“ Seit langem ist Quabach klar: „Eine dralle Bedienung und ein Riesenschnitzel reichen nicht mehr aus, um die Leute herzubringen.“

Der Geschäftsführer setzt auf Erlebnisgastronomie: Im unterfränkischen Geiselwind bietet der Autohof an der A3 eine Konzerthalle für 5000 Besucher, eine eigene Metzgerei und eine Kirche - auch Einheimische sollen kommen. Tank und Rast wartet in Gruibingen an der A8 mit einer Feng-Shui-Raststätte auf. Zudem wirbt das Unternehmen mit Dutzenden Riesen-Spielplätzen für Kinder.

„Der Erlebniswert an Raststätten und Autohöfen nimmt immer mehr zu“, sagt Zukunftsforscher Jánszky, glaubt aber, dass sich die beiden Anbieter mehr auseinanderentwickeln. „Es wird weiterhin das breite Econonmy-Segment geben, das die Autohöfe abdecken. Die Raststätten gehen Richtung Premium-Segment, wo die Preise höher sind, die einzelnen Bedürfnisse mehr berücksichtigt werden.“

Heißt konkret: Schon entlang der Bahn wird der Autofahrer laut Jánszkys Zukunftsvision an Schildern erkennen, welche Gäste vor allem erwartet werden. „Es wird Ketten geben, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrieren, andere stellen Familienfreundlichkeit in den Vordergrund oder richten sich an Rentner. Als Autofahrer wird man bei der Rast ausdrücken können, zu welcher Identität man gehört.“

Noch schauen offenbar die wenigsten vor der Abfahrt genauer auf die Werbetafeln der Anbieter. „Hauptsache, das Toiletten-Symbol ist drauf“, sagt Ursula Martinez an der Raststätte Resser Mark. Eine Familie aus Schwerte auf dem Weg in den Urlaub, die lieber ihren Namen nicht nennen möchte - „wegen der Einbrecher“ - macht es dagegen wie früher: Getränke und Krautsalat sind an Bord. „Hier ist doch alles bis zu 30 Prozent teurer“, sagt Mutter Antje.

Rentner Klaus Böttcher ist seit einigen Jahren von Raststätten enttäuscht. Er trauert seinem Lieblings-Halt hinterher, der Anlage Hohenhorst am Kreuz A3/A43, die 2005 geschlossen wurde. „Da haben Gisela und ich immer einen Schoppen zum Abschluss des Urlaubs getrunken. Dazu gab es eine Frikadelle Metzger-Art. Das waren noch Zeiten.“

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