Schnelle Räder mit Eigenleben - Pedelec-Fahren will gelernt sein

Berlin (dpa/tmn) - Rund 600 000 Pedelecs sind inzwischen auf deutschen Straßen im Einsatz. Die Fahrräder mit unterstützendem E-Motor ermöglichen ohne große Anstrengung ein zügiges Tempo. Es gibt aber ein paar Sicherheitsaspekte, die Pedelec-Piloten bedenken sollten.

Die Pedale vibrieren unter den Füßen. Einmal durchgetreten - und schon wird das Pedelec wie von einem starken Rückenwind angeschoben. Solange der Mensch auf dem Sattel ganz entspannt weiter tritt, sorgt der Elektromotor surrend für flotten Vortrieb. Das macht Spaß, erfordert aber Übung, um nicht auf die Nase zu fallen oder anderen Verkehrsteilnehmern in die Quere zu kommen.

„Die Geschwindigkeiten, die man mit Pedelecs erreicht, sind an sich nicht neu“, sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). Der E-Motor unterstützt den Fahrer bis 25 km/h und bei einigen Modellen, für die man einen Mofaführerschein braucht, sogar bis 45 km/h. Solche Geschwindigkeiten erreichen trainierte Radler auch ohne elektrische Hilfe, so Fehlau. „Aber mit Pedelecs schaffen das eben auch Radler, die für ein solches Tempo nicht sensibilisiert sind.“

Bei Pedelecs wird die Kraft, die durch das Treten aufs Hinterrad übertragen wird, von einem E-Motor verstärkt - „in höchster Leistungsstufe um bis zu 200 Prozent“, erläuterte Fahrtechniktrainer Thomas Danz bei einem Sicherheitstraining in Berlin. An diese Power muss man sich erst gewöhnen: Der starke Schub beim leichten Treten ist anfangs beunruhigend, denn das Fahrrad hat quasi ein Eigenleben.

Die Motorunterstützung lässt sich bei den meisten Pedelecs in drei Stufen regeln: niedrig, mittel und stark. Wer will, kann den elektronischen Rückenwind auch komplett abschalten. „Vor der ersten Fahrt sollte man gründlich die Knöpfe und das Display des Schaltmoduls studieren“, rät Danz. „Wer sich erst im Straßenverkehr damit beschäftigt und wild herumfummelt, wird zu stark abgelenkt“, warnt Bettina Cibulski vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC).

Vor Fahrtbeginn sollte der Reifendruck geprüft werden. „Das gilt für Fahrräder allgemein. Bei den Geschwindigkeiten der Pedelecs ist es aber besonders wichtig, um nicht ins Schlingern zu geraten“, sagt Danz. Die ersten Runden werden am besten mit wenig Motorunterstützung gefahren. So kann man sich an höhere Stufen herantasten. „Man muss sich auch an den längeren Bremsweg gewöhnen“, gibt Cibulski zu bedenken. Denn Pedelecs seien nicht nur schneller, sondern mit gut 25 Kilogramm auch schwerer als gewöhnliche Velos. Wegen des hohen Gewichts sei es außerdem wichtig, auf Schlaglöcher zu achten.

Pedelec-Neulinge sollten auch das Kurvenfahren trainieren und darauf achten, nicht mit zu viel Schwung in eine Kehre zu düsen. „Bei Pedelecs ist es wichtig, vor Kurven gleichmäßig abzubremsen“, betont Fahrtechniktrainer Danz. Cibulski empfiehlt ohnehin entspanntes Radeln: Wegen der Motorunterstützung brauche man sich nicht abzustrampeln und könne sich stattdessen stärker auf den Verkehr konzentrieren. Besonders Autos sollten Pedelec-Fahrer im Blick behalten, sagt Fehlau. Neben den rund 70 Millionen herkömmlichen Fahrrädern auf deutschen Straßen sind die 600 000 Pedelecs, von denen der ADAC ausgeht, für Autofahrer eine ungewohnte Minderheit.

„Wenn ein Autofahrer an der Ampel einen hechelnden Radler im Sportdress neben sich hat, rechnet er damit, dass dieser schnell loszieht“, sagt Fehlau. „Steht dort aber ein entspannter Pedelec-Fahrer mit Hemd und Krawatte, erwartet der Autofahrer kein hohes Tempo.“ Mit einem Pedelec fährt man daher lieber defensiv. „Als Radler ist man gewohnt, so schnell zu fahren, wie man treten kann. Fürs Pedelec gilt das nicht mehr.“

Wenn es zu einem Sturz oder Unfall kommt, gilt besondere Vorsicht: Wird der Pedelec-Akku dabei beschädigt, kann er laut Fehlau in Brand geraten. Vor Regen und Spritzwasser ist die Stromquelle geschützt.

Pedelec-Einsteiger, die lange nicht mehr auf einem Fahrradsattel gesessen haben, sollten besonders intensiv üben, bevor sie sich ins Verkehrsgetümmel stürzen, rät Danz. Das Radfahren verlernt man in der Regel zwar nie ganz, wird aber zunehmend unsicherer, je länger man darauf verzichtet. Das Gefühl fürs Radeln lässt sich am besten in einer verkehrsberuhigten Zone auffrischen. Kehrt die Routine zurück, hat auch der Extraschwung eines Pedelecs nichts Beunruhigendes mehr.

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