Spritsparen mit strömungsgünstigen Autos

Stuttgart/Ingolstadt (dpa/tmn) - Feinschliff im Windkanal: Aerodynamiker sind stets auf der Suche nach der idealen Autoform. Ihr Ziel: ein möglichst geringer Luftwiderstand, der beim Spritsparen hilft.

Die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge ist dabei entscheidend.

Sie kämpfen um jedes Kilo und ringen um den letzten Tropfen: Um den Verbrauch ihrer Autos zu reduzieren, lassen Fahrzeugentwickler nichts aus. Dabei feiert auch eine Disziplin ihre Renaissance, die oft in Vergessenheit gerät: Die Verminderung des Luftwiderstandes. Denn neben der Trägheit der Masse und dem Rollwiderstand der Reifen ist er die dritte Größe, die den Verbrauch eines Autos maßgeblich bestimmt, erläutert Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenorganisation KÜS in Losheim am See.

Dabei steigt der Einfluss des Luftwiderstandes auf den Verbrauch mit dem Tempo. Schon bei etwa 60 km/h liegt er gleichauf mit dem Rollwiderstand und der Beschleunigung, sagt Marmit. „Und bei Vollgas auf der Autobahn verbrennt man schon 90 Prozent des Sprits allein wider die Kraft des Windes.“

Angegeben wird dieser Widerstand als cw-Wert. Er liegt beim aktuellen Coupé der E-Klasse BlueEfficiency bei 0,24 und macht den Zweitürer zum „windschnittigsten Serienfahrzeug am Markt“, sagt Teddy Woll. Der Techniker leitet die Aerodynamik-Entwicklung bei Mercedes in Stuttgart. In dieser Funktion sorgt er gewissermaßen dafür, dass die Autos des Herstellers dem Wind immer weniger Widerstand bieten.

Senken lässt sich der sogenannte Luftwiderstandsbeiwert vor allem durch gezielten Feinschliff an der Karosserie. Zwar sind die Grundzüge eines neuen Autos meist schon vorgegeben, doch mit der Arbeit im Detail lässt sich noch vieles verbessern: „Denn nur 40 Prozent des cw-Wertes entfallen auf die Karosserieform. 30 Prozent dagegen machen Räder und Reifen aus, 20 Prozent der Unterboden und 10 Prozent die Funktionsöffnungen, durch die etwa Kühlluft unter die Haube strömt“, erläutert ein Ingenieur von BMW.

Experten wie Woll achten bei der Entwicklung eines neuen Modells auf einen besonders glatten Unterboden. Und die Kühlluft wird mit Klappen und Jalousien im Kühlergrill möglichst günstig reguliert. Die Fachleute feilen an den Außenspiegeln und optimieren die Felgen. Und sie knüpfen sogar Vorhänge aus Luft: Dieser Air-Curtain entsteht vor den Felgen, wenn der Fahrtwind durch ein Loch im Stoßfänger geleitet wird. Damit lassen sich störende Verwirbelungen verhindern. „Am besten wären natürlich geschlossene Radhäuser wie bei manchen Rekordfahrzeugen“, sagt Woll. „Aber mit Blick auf Federwege, Lenkeinschläge und den Einsatz von Schneeketten ist das bei Serienfahrzeugen kaum möglich.“

Auch andere Kunstkniffe schaffen es bis auf Weiteres wohl nicht in die Serie: Videokameras, die die Außenspiegel ersetzen oder aufblas- oder ausklappbare Abströmkörper, die am Heck die Strömung positiv beeinflussen. Doch auch der alltagsrelevante Feinschliff zahlt sich Woll zufolge aus: Eine Senkung von 0,25 auf 0,24 spare im Normzyklus etwa ein Gramm CO2 auf 100 Kilometer. Im alltäglichen Fahrzeuggebrauch liege der CO2-Gewinn allerdings bereits bei zwei bis drei Gramm und bei einer schnellen Autobahnfahrt erreiche er mitunter fünf bis zehn Gramm.

Auch weniger Gewicht und neue Verbrennungsverfahren helfen sparen. Doch seine Disziplin habe ein paar entscheidende Vorteile, sagt Aerodynamiker Woll: „Eine strömungsgünstige Form kostet keinen Cent mehr als eine ungünstige. Billiger kann man deshalb kein CO2 sparen.“ Außerdem spare man damit völlig unabhängig davon, ob das Auto mit Benzin, Diesel oder Strom fahre.

Nach Einschätzung verschiedener Experten ist die Aerodynamik eine Wissenschaft, die vor allem in Krisenzeiten blüht: In der Ära der Pferdekutschen und den Kindertagen des Autos lag der cw-Wert der gängigen Fahrzeuge weit über 1 und hat kaum interessiert. Erst als vor dem Zweiten Weltkrieg die Geschwindigkeiten höher und das Benzin teurer wurden, hat man den Luftwiderstand entdeckt. Damals wurde der Tropfen als ideale Form definiert, weil er beim Fall durch die Luft den Weg des geringsten Widerstands wählt, sagt der Pforzheimer Designprofessor Lutz Fügener. Es entstanden Autos wie der legendäre Rumpler Tropfenwagen.

Erst mit der ersten Ölkrise ist das Thema Windschnittigkeit wieder aktuell geworden und hat sich dann mit der zweiten Ölkrise dauerhaft in den Leitfäden der Entwickler festgesetzt. Damals, 1982, hat Audi nach Angaben von Entwicklungschef Michael Dick mit dem ersten Audi 100 den damaligen Weltrekord für Serienfahrzeuge aufgestellt - einen cw-Wert von 0,30. Seitdem investieren Hersteller Millionenbeträge in Windkanäle und suchen nach der idealen Form.

Und die ist offenbar noch nicht gefunden. Mercedes-Entwickler Woll sagt: „Ein cw-Wert von 0,2 ist mit weiterem Feinschliff durchaus möglich.“ Dann sei allerdings eine Grenze erreicht, die man mit konventionellen Autos nach heutiger Bauart kaum hinter sich lassen könne.

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