Hyundai Genesis: Ein Asiate probt den Aufstieg

Berlin (dpa-infocom) - VW-Chef Martin Winterkorn hat Hyundai bereits Respekt gezollt. Jetzt müssen womöglich auch die Bosse von Audi, BMW und Mercedes aufhorchen. Denn mit dem neuen Genesis probt Hyundai erstmals in Europa den Aufstieg in die gehobene Mittelklasse.

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Hyundai wagt sich in die Höhle der Löwen. Nachdem die Marke mit Autos wie dem i10 oder dem i30 bereits unter den Kleinwagen und den Kompakten punkten, zeigen sie jetzt erstmals Flagge im Oberhaus: Ausgerechnet im Heimatland von Audi, BMW und Mercedes bringen sie im August gegen A6, 5er und E-Klasse den neuen Genesis in Stellung. Das Fünf-Meter-Flaggschiff ist allerdings keine ernsthafte Kampfansage, mit der Hyundai die Zulassungsstatistik durcheinander wirbeln oder sich die Kassen voll machen will - obwohl das bei einem Preis von knapp 65 000 Euro durchaus gelingen könnte. Die große Limousine soll zum Aushängeschild der Marke werden und zeigen, was die Koreaner mittlerweile alles auf dem Kasten haben.

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Viele elektrische und elektronische Helfer

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Die Ausstattung des üppig chromgeschmückten Genesis ist umfangreich. Nicht umsonst prangt auf dem Grill ein neues Logo im Bentley-Stil: Man sitzt vorn wie hinten auf klimatisierten Sesseln mit Nappa-Polstern, genießt viel Platz für Knie, Kopf und Schultern und greift in ein beheiztes Lenkrad. Die Türen zieht ein Elektromotor zu. Um den Abstand oder die Spurführung kümmert sich genau wie ums Einparken die Elektronik. Selbst den Kopf muss man nicht mehr senken. Denn als erstes Auto aus Korea hat der Genesis ein Head-Up-Display, das alle wichtigen Informationen direkt ins Blickfeld einspiegelt.

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Zu den vielen elektrischen und elektronischen Helfern gibt es ein paar pfiffige Details, die einen staunen oder schmunzeln lassen. Die vornehme Musikeinspielung beim Anlassen oder Ausschalten zum Beispiel. Die Lichtprojektion des geflügelten Logos auf dem nächtlichen Parkplatz. Der Kofferraumdeckel, der schon aufschwingt, wenn man nur hinter dem Auto steht. Oder die Klimaanlage mit dem neuartigen CO2-Sensor, die automatisch Frischluft beimischt, wenn innen der Sauerstoff knapp wird. Mit solchen Details stehen die Koreaner Daimler und Co in nichts nach.

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Auf dem Papier eine potente Limousine

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Auch bei der Technik hat Hyundai nicht gespart. Zwar gibt es anders als in Amerika nur sechs statt acht Zylinder, doch der seidenweiche V6-Motor arbeitet mit einer zeitgemäßen Direkteinspritzung, ist mit einer Achtgang-Automatik gekoppelt und treibt grundsätzlich alle vier Räder an. Auf dem Papier sind Eckwerte wie die 232 kW/315 PS Leistung, ein maximales Drehmoment von 397 Nm und ein Sprintwert von 6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h durchaus konkurrenzfähig.

In der Praxis allerdings wirkt der Genesis dann doch nicht so dynamisch, wie es der vor allem wegen des Designs gewählte Beiname „Sportlimousine“ und die dreistufige Charakterregelung auf dem Mitteltunnel versprechen: Dafür ist das Fahrwerk zu wolkig, die Lenkung zu leichtgängig und der Antrieb zu lethargisch.

Krawall statt Kraftakt

Vollgas quittiert der V6 eher mit Krawall als einem Kraftakt, die Automatik wechselt die Gänge betont komfortorientiert und weil bei maximal 240 Sachen Schluss ist, muss der Genesis die linke Spur irgendwann für Audi und Co räumen. Da hilft es auch nicht, wenn man den so genannten Drive-Mode-Schalter drückt und von Normal auf Sport wechselt. Damit wird das Auto zwar lauter und ruppiger, aber schneller, straffer und schärfer fühlt es sich nicht an.

Im krassen Gegensatz zur Dynamik steht der Durst des Sechszylinders: Weil der Genesis über zwei Tonnen wiegt und über keinerlei Spritspartechnik verfügt, verbraucht er schon auf dem Prüfstand 11,6 Liter und kommt auf einen CO2-Ausstoß von 270 g/km. Da sind bei BMW und Co selbst die M-Modelle sparsamer. Und als wolle er es zumindest an der Tankstelle ernsthaft mit echten Sportlimousinen aufnehmen, gönnt sich der V6 schnell auch mal 16 oder 18 Liter. Niemand wird Hyundai vorwerfen, dass es für die homöopathischen Stückzahlen in Europa keinen adäquaten Diesel gibt. Aber Leichtbau und eine Start-Stopp-Automatik kommen auch in Amerika und Asien an.

Fazit: Ein Aufsteiger, den man beobachten sollte

Bei Auftritt, Ambiente und Ausstattung fährt Hyundai schon auf Augenhöhe mit den deutschen Wettbewerbern. Bei Antrieb und Abstimmung müssen sie noch nachlegen, wenn sie nicht nur bei Amerikanern und Asiaten punkten wollen. Doch haben die Koreaner mit ihren Klein- und Kompaktwagen ja schon bewiesen, dass sie auch unter dem Blech den europäischen Geschmack treffen können. So ist der Genesis am Ende nur ein Außenseiter. Aber einer, den man aufmerksam beobachten solle - vor allem, wenn man Chef von Audi, BMW oder Mercedes ist.

Datenblatt: Hyundai Genesis

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

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