Neuer Range Rover: Der Reiz der Unvernunft

Berlin (dpa-infocom) - Für die einen ist er die pure Unvernunft, für die anderen der weltbeste Geländewagen. Kein Allradler ist so komfortabel, kein SUV so großzügig mit Fähigkeiten, die kaum ein Fahrer nutzt.

Die Erwartung an die neue Range Rover-Generation ist groß.

Wenn das Flaggschiff von Land Rover im Januar zu Preisen ab 89 100 Euro in vierter Generation an den Start geht, müssen die Briten einen schweren Spagat stehen: Den Anhängern des Allradlers noch mehr Kompetenz, Kraft und Komfort versprechen. Und die Kritiker mit einem rigiden Sparprogramm zu besänftigen.

Aluminium macht den Range Rover leicht und steif

Bei diesem Balanceakt hilft ihnen die neue Konstruktion des Range Rovers: Zum ersten Mal hat die Marke einen Geländewagen komplett aus Aluminium gebaut. Das spart unter dem Strich 420 Kilogramm, und es senkt den Normverbrauch um bis zu 22 Prozent. Zugleich ist die neue Karosse ist deutlich geräumiger und so steif, dass den Range Rover so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Vor allem merkt man das, wenn die adaptive Luftfederung die Bodenfreiheit reguliert und dem Aufbau das Wanken abgewöhnt - zum Beispiel auf einer Geröllhalde. Aber auch bei über 200 km/h auf der linken Autobahnspur knackt und knistert nichts. Sogar bei Vollgas dringt vom Motor kaum mehr als ein fernes Grollen ans Ohr der Passagiere.

Das Auto kann mehr als der Fahrer

Dabei kann das Abenteuer für den Allradler gar nicht groß genug sein: Mit bis zu 90 Zentimetern Watttiefe, einer im Extremfall um fast 20 Zentimeter variablen Bodenfreiheit und einem neuerdings auf Wunsch automatisch geregelten Traktionssystem stößt eher der Fahrer als das Fahrzeug an seine Grenzen. Wahrscheinlich wird nur ein Bruchteil der Kundschaft das Auto nutzen, um durchs Atlas-Gebirge zu fahren oder die Sahara zu kreuzen. Doch zu wissen, dass man könnte — das ist vielen Kunden offenbar Grund genug.

Während die wenigen anderen Geländewagen mit solchen Fähigkeiten meist so rustikal wirken wie ein Blockhaus am Berg, ist der Range Rover eher ein Palast auf Rädern. Die Briten schwelgen in Lack und Leder, dekorieren mit Carbon oder Klavierlack. Es gibt reichlich Platz und mehr Kofferraum als in vielen Kombis. Bequem sitzt es sich auf den riesigen Fauteuils in der ersten Reihe und den neuen Einzelsesseln im Fond. So frisch und modern der Wagen im Innern wirkt, so zaghaft ist allerdings das Außendesign weiter entwickelt worden. Bei den Assistenzsystemen hätte der Kunde mehr erwarten können: Navigationssystem, Abstandstempomat und Kurvenlicht sind zwar immer an Bord, und die vielen Kameras zur Karosseriekontrolle beim Rangieren einzigartig. Aber wer wie Land Rover das „beste Auto der Welt“ bauen will, hätte ein Head-up-Display oder eine elektronische Spurführung nicht vergessen dürfen.

Vernunft oder Vergnügen unter der Haube?

So sehr der Range Rover den Überfluss pflegt, unter der Haube zeigt sich doch ein zartes Bemühen um Vernunft: Zum einen rackert dort jetzt wieder ein V6-Diesel, der immerhin 190 kW/258 PS leistet und auf bis zu 209 km/h beschleunigt. Als Normverbrauch gibt Land Rover 7,5 Liter an (CO2-Ausstoß 196 g/km). Doch wer ein 2,2 Tonnen schweres Auto kauft, wird wohl auch beim Antrieb keine Abstriche machen und zum V8-Kompressor greifen. Aus fünf Litern holt er 375 kW/510 PS und 625 Newtonmeter maximales Drehmoment heraus. 5,4 Sekunden genügen, dann ist die Wuchtbrumme auf 100. Und wer die richtigen Reifen bestellt, schafft mit einem Range Rover erstmals 250 km/h. Nur den ohnehin schon üppigen Normverbrauch von 13,8 Litern (CO2: 322 g/km) kann man dann vergessen.

Fazit: Eine einzigartige Kombination

Nicht nur bei Luxus und Laufkultur, sondern auch bei den Fahrleistungen ist der Range Rover einem 7er BMW oder einer Mercedes S-Klasse nahezu ebenbürtig. Und im Gelände macht dem Briten keiner etwas vor. Damit bietet Land Rover eine einzigartige Kombination, die kaum je ein Kunde wirklich ausreizen wird. Dem Erfolg des Range Rovers dürfte das aber auch in seinem fünften Jahrzehnt keinen Abbruch tun. Im Gegenteil: Viele Händler haben ihr Kontingent für 2013 schon komplett verkauft.

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