„Aquanauten“ brechen Unterwasser-Rekord

Key Largo (dpa) - Während ihrer zweieinhalb Monaten unter Wasser saßen Bruce Cantrell und Jessica Fain gnadenlos auf dem Trockenen. Nicht einen Schluck Alkohol durften die „Aquanauten“ bei ihrem Versuch, die längste Zeit unter Wasser zu verbringen, zu sich nehmen.

„Aquanauten“ brechen Unterwasser-Rekord
Foto: dpa

Der kleine Kühlschrank in ihrer Kochnische blieb sicherheitshalber mit Limonade und Wasser gefüllt. „Können wir eine große Flasche Margarita und Champagner bekommen?“, scherzte Cantrell zuletzt, als sein Team an Land wie jeden Tag per Telefon fragte, wann ein Taucher das Abendessen nach unten bringen soll.

73 Tage, 2 Stunden und 34 Minuten verbrachten die Biologie-Dozenten in dem ehemaligen Forschungslabor im US-Staat Florida - nun haben sie den Weltrekord für die längste Zeit unter Wasser gebrochen. „Hey, da ist die Sonne“, sagte Tauch-Experte Cantrell, als er die Stufen aus dem kalten Salzwasser auf den Holzsteg kletterte. Temperaturen um 22 Grad Celsius und strahlender Sonnenschein bereiteten den beiden am Montag einen warmen Empfang. „Dort unten wurde es zuletzt ein bisschen kalt“, sagte Fain.

Kurz bevor sie den Container verließen, schossen sie noch ein letztes Selbstporträt und verbreiteten es auf Twitter. Die bisherige, im Jahr 1992 aufgestellte Bestmarke von 69 Tagen und 19 Minuten hatten sie schon am Donnerstag geknackt. Der nun ehemalige Rekordhalter Richard Presley kam persönlich zum Steg, um den beiden zu gratulieren. Neben Reportern versammelten sich dort Angehörige, Freunde und Kollegen.

Wer die beiden „Aquanuaten“ unter Wasser besuchte, den beschlich ein seltsames Gefühl. Denn plötzlich stieg man nach einem Tauchgang von drei oder vier Minuten ins Trockene einer Kammer und begegnete dort zwei Menschen in T-Shirt und Jogginghose. Die Unterwasserwelt ist sonst nicht nur nass und dunkel, sondern eigentlich lautlos und wird akustisch meist nur gefüllt vom Keuchen und Blubbern des eigenen Atemreglers. Die Kommunikation mit anderen läuft per Handzeichen.

Und dann saßen da einem Cantrell und Fain gegenüber, reichten einem das Handtuch und sagten: „Hey, schön Dich kennenzulernen.“ Ein Tauch-Kurier brachte kurz darauf trockene Kleidung, und prompt saß man zum Gespräch im Gemeinschaftsraum und konnte durch das Bullauge nach Fischen und Seekühen Ausschau halten. Das ständige Surren des lebenserhaltenden Systems vermittelte Sicherheit, zusammen mit drei Telefonen, einer Gegensprechanlage und - falls die Technik komplett ausfällt - einem stromlosen Schnurtelefon. Es ist etwas eng dort unten, aber gemütlich. Für 675 Dollar kann man in der „Jules Undersea Lodge“ übernachten.

Auch wenn die 28 Quadratmeter nicht nur eine Kapsel fürs nackte Überleben sind, sondern vom Komfort eher einem Wohnmobil gleichen, war der Rekord für Fain und Cantrell kein Spaziergang. Retter hatten geprobt, wie sie Verletzte im Notfall innerhalb von Minuten nach oben holen können. Der Unterwasser-Lebensraum wurde rund um die Uhr von Fachleuten an Land überwacht. Denn in dem Fall, dass die Systeme versagen und keine Druckluft mehr durch die sogenannte Nabelschnur nach unten gepumpt wird, könnte die Lodge innerhalb kürzester voll Wasser laufen die Bewohner könnten ertrinken.

Selbst 14 Monate Vorbereitung schützten die beiden nicht vor unangenehmen Zwischenfällen. Der 63-Jährige Cantrell musste wegen einer Infektion behandelt werden, also tauchte ein Arzt durch die Bucht in Key Largo und kam zur Visite in die Stahlkapsel. Und Cantrells Computer, mit dem er per E-Mail und Video-Chat mit Journalisten, Schulklassen und Bekannten in Kontakt bleiben wollte, machte unten erst einmal schlapp. Die Festplatte hielt dem Druck nicht stand und musste an Land ausgetauscht werden.

Neben ihren wöchentlichen Unterrichtsstunden, mit denen sie vor allem Schüler für das Fach Biologie begeistern wollen, ließen sich die beiden den Spaß unter Wasser aber nicht nehmen. Fain verkleidete sich als Meerjungfrau, setzte außen kleine Spielzeug-Figuren vor die Bullaugen und lockte Fische an. Zu Halloween bekamen die beiden Süßigkeiten per Kurier geschickt und drehten einen Horror-Kurzfilm, in dem Cantrell als Monstermensch aus der Toilette getaumelt kommt und dann einen dramatischen Tod stirbt. Sogar der berühmte Astronaut Buzz Aldrin stattete ihnen einen Besuch ab.

„Im Handumdrehen“ würde der Biologie-Professor Cantrell sich so ein Abenteuer noch einmal vornehmen, sagt er. Die 25-jährige Fein freut sich nun vor allem auf ihren Hund, der sie anders als ihr Partner und ihre Familie nicht in der Kapsel besuchen konnte. Owen Driskill, Sprecher des Roane State Community College, zeigte sich erleichtert: „Wir sind froh, unseren Dozenten wieder bei uns zu haben.“

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