Berlin verordnet Jecken einen „Flüster-Karneval“

Berlin (dpa) - Ein zartes Pflänzchen des organisierten Frohsinns ist bedroht: Der Berliner Karneval stößt an die Grenzen der preußischen Bürokratie. Eine Ausführungsverordnung zum Landesimmissionsschutzgesetz setzt den Karnevalisten beim Umzug über den Kudamm eine Lärmgrenze von 70 Dezibel.

„Wir müssen uns angucken, ob das überhaupt noch Sinn macht“, zweifelt der Vizepräsident des Festkomitees, Klaus Heimann.

Lauter werden darf es nur bei „Veranstaltungen von außergewöhnlicher Bedeutung“. Das treffe auf den Karnevalsumzug nicht zu, befand der Senat. Dabei ziehen schon seit elf Jahren einige tausend über den Kudamm und lassen es krachen, zwar nicht so ausgelassen wie am Rhein - aber immerhin: Einige hunderttausend Berliner und Touristen lassen sich das Schauspiel gefallen.

„Ein Geisterzug kann nicht Sinn des Ganzen sein“, schüttelt Heimann den Kopf. Doch für die Umweltverwaltung ist der Umzug in erster Linie nicht bunt und fröhlich, sondern „eine als störend einzustufende Veranstaltung“. So hätten es die Beamten den Jecken mitgeteilt. Die „Bild“-Zeitung sprach bereits vom „Flüster-Karneval“.

Eine vom Senat anerkannte Firma wird nun die Lautstärkeregler auf den Festwagen abkleben und verplomben, wie Heimann sagt, der selbst in einer Gruppe von Harlekins mitzieht. „Ich kann nicht verstehen, dass es in Köln, Düsseldorf und Cottbus Ausnahmegenehmigungen gibt, wir aber als Randgruppe deklariert werden.“

Was die Jecken nicht begreifen wollen: Während sie leise treten, dürfen andere laut sein - der Umzug zum Christopher Street Day im Juni und der multikulturelle Karneval der Kulturen im Mai. Für die Verwaltung ein klarer Fall: Der Umzug der Schwulen und Lesben falle als Demonstration unter das Versammlungsrecht. Und der Karneval der Kulturen sei eben „eine Veranstaltung von herausragender Bedeutung“. Es sei eine in Berlin gewachsene Veranstaltung, die viele Menschen aus der ganzen Stadt anziehe, sagte eine Sprecherin der Umweltverwaltung.

„Unser Zug ist vielleicht von verschiedenen Leuten nicht gewollt, die in der Stadt was zu sagen haben“, argwöhnt Heimann. Abgesagt wird das bunte Treiben am 12. Februar aber nicht. „Berlin ist keck - und wir sind jeck“, lautet das Motto, und die Wagen werden schon geschmückt. 50 waren es vergangenes Jahr. Mehr als 4000 Teilnehmer sind angemeldet. Nach den tollen Tagen wollen die Veranstalter aber über rechtliche Schritte nachdenken. Denn ihren Ruf „Heijo“ sollen nächstes Jahr wieder alle hören können.

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