Die Queen privat: Luxus oder Tupperware?

London (dpa) - Eine moderne Legende besagt, dass die britische Queen Elizabeth II. ein großer Fan von Tupperware ist. Auf dem königlichen Frühstückstisch zum Beispiel stehen Cornflakes und Haferflocken in ebensolchen Plastikdosen, wie ein als Dienstbote getarnter Reporter 2003 enthüllte.

Die Tupperware ist zur Metapher für royale Sparsamkeit geworden: Sachen wegzuwerfen, das ist der Queen (86) und ihrem Mann Prinz Philip (90) - beide geprägt vom Sparzwang der Zeit im und nach dem Zweiten Weltkrieg - verhasst.

Ob die in Luxus geborene Königin tatsächlich lieber Gummistiefel und alte Kleider als Perlen, Diademe und Seide trägt, lässt sich nicht beweisen. Laut offiziellen Palastinfos verwertet sie heute noch Stoffe von Roben, die sie trug, bevor sie vor 60 Jahren Königin wurde. Weitere Beobachtungen - etwa Fotos mit Kopftuch und Pferd - deuten darauf hin, dass an ihrem Ruf extremer Sparsamkeit und manchmal etwas sehr volksnaher Vorlieben etwas dran sein mag. Könnte die Queen für ein gekröntes Haupt wirklich leicht exzentrisch, gar schrullig, sein?

Die Faszination für das Privatleben von Reichen und Berühmten und ihr wahres Ich geht bei den britischen Royals in beeindruckende Dimensionen. Bei Touren zu einem der Landsitze der Queen, Sandringham im ostenglischen Norfolk, versuchen Briten und Touristen, der Wahrheit über die Monarchin auf die Spur zu kommen.

Nur selten ist das derart gut möglich wie in dem Anwesen, auf dem die Königsfamilie traditionell Weihnachten verbringt. Anders als fast alle anderen Paläste gehört das Haus der Königsfamilie privat, und nicht der für die Verwaltung zuständigen, dem Staat verpflichteten Organisation Crown Estate. „Sandringham ist ein Ort, an dem die Königsfamilie sich bei informellen Besuchen entspannen, Freunde unterhalten und die Ruhe der Landschaft genießen kann“, schreibt Prinzgemahl Philip. Wenn sie nicht da ist, öffnet die Queen einige Räume zum Anschauen.

„Es ist ein großes, aber kein gewaltiges Haus“, sagt Besucher-Managerin Helen Walch über den Bau mit mehr als 300 Zimmern. „Blattgold und rote Teppiche gibt es bei uns nicht. Es ist deutlich erkennbar, dass das Haus das private Anwesen der Königin ist.“

So liegt im Salon - einem hallenartigen Wohnzimmer voller antiker Möbel und plüschiger Sofas - ein halbfertiges Puzzle auf einem eigens dafür in die Ecke geschobenen Tisch. „Puzzle sind ein Hobby der Queen“, sagt Walch. „Sie legt sie so, dass sie auf dem Kopf stehen, und guckt sich die Bild-Vorlage dabei nicht an.“ In diesem Fall erkennt man ein Hochzeitsfoto von ihrem Enkel Prinz William und dessen Frau Catherine. Ob das nur für die Besucher da liegt, oder die Queen tatsächlich selbst Hand angelegt hat, lässt sich nicht eindeutig feststellen.

Auch Prinzgemahl Philip hat eine erstaunlich bürgerliche Leidenschaft, er sammelt Comics und Karikaturen. „Am ehesten natürlich die Originalausgaben“, sagt einer der vielen Wachleute. Unter den ausgestellten Stücken sind auch Witze über die Queen und Philip selber.

Wenn Elizabeth da ist, steht statt des ausladenden Blumengestecks ein Fernseher im Salon, erklärt Walch. In die kleine Bibliothek kommt ein Computer und sie wird zum Büro. Ansonsten bleibt angeblich alles, wie es ist. Der Einrichtungsgeschmack der Queen trägt animalische Züge: Überall stehen Pferdestatuen. Porträts von verstorbenen und aktuellen Corgis - den Lieblingshunden der Queen - hängen an der Wand. Bei manchen stehen Namen darunter: Berry, Candy, Chipper, Kelpie, Cider. Derzeit hat die Queen laut Walch fünf Hunde, drei Corgis und zwei Dorgis, die von ihr selbst entwickelte Kreuzung aus Corgi und Dackel.

Auf einem gedeckten Tisch liegen ihre liebsten Platzdeckchen, die mit Fotos von ihren Rennpferden und Jockeys bedruckt sind. Ein Menü ist dabei, Rosenkohl und Hühnchen mit Gemüse stehen unter anderem darauf. Kein Datum. „Die Queen schreibt kein Datum auf ihre Menükarten, dann kann sie sie nochmal benutzen“, kommentiert der Wachmann, der seinen Namen lieber nicht genannt haben will.

Kein Entrinnen jedenfalls gibt es für die Queen in Sandringham vor einem: Ihren Vorfahren. Familienfotos sind vergleichsweise rar, dafür blicken von allen Wänden längst verstorbene Verwandte in Öl herab. Auf dem Sofa liegen Kissen, die von der Ur-Oma der Queen bestickt wurden. In Vitrinen stehen kleine Statuen und Schmuckstücke aus fernen Ländern, die ihre Großmutter von ihren Reisen mitgebracht hat. Die Flure sind voller Waffen aus dem einstigen Empire, die sich über Jahrhunderte angesammelt haben.

In der zum Anwesen gehörenden Kirche regiert ebenfalls die Familie. Unzählige Plaketten erinnern an verstorbene Vorfahren. Darunter sind auch einige deutsche Namen, Victoria Adelaide Mary Louisa zum Beispiel, Königin von Preußen und Mutter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II..

„Sandringham ist im Vergleich zu anderen Häusern der Königin ein ruhiger, abgeschiedener Ort“, meint Walch. „Es bietet eine Pause von rotem Teppich und Blattgold.“ Spiegelt es die Persönlichkeit der Queen? Walch ist ihr zwar schon begegnet, aber kann auch nur spekulieren: „Es ist ihr Haus - es wird wohl so aussehen, wie es ihr gefällt.“

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