Drama im Berliner Zoo: Eisbär Knut ist tot

Berlin (dpa) - „Tschüss Knut!“ haben Alicia und Reiner in krakeliger Kinderschrift geschrieben. „Wir haben Dich sooo geliebt!“ steht auf einem Zettel am Eingang zum Zoo Berlin. Plüsch-Knuts liegen am Gitter.

Die Nachricht vom plötzlichen Tod des weltberühmten Eisbären schockiert viele Fans.

Am nun leeren Bärenfelsen weinten auch am Sonntag Menschen, einige legten Rosen mit schwarzem Trauerflor ab. Dramatische Szenen spielten sich am Samstag kurz nach 15.00 Uhr ab. Die Sonne schien. Zunächst lachten einige noch, weil sie dachten, Knut tanze. Der Eisbär zuckte kurz auf, drehte sich mehrmals im Kreis. Dann brach er zusammen, stürzte ins Wasser und war tot. Er wurde nur vier Jahre alt.

Augenzeugen berichteten betroffen: Kinder schrien auf, entsetzte Eltern führten sie zur Seite. Eine Frau wurde bewusstlos, der Notarzt wurde gerufen. Wegen des schrecklichen Anblicks - Knuts Körper trieb mit dem Kopf nach unten leblos im Wasser - sperrte der Zoo das Gelände. Bären-Betreuer Heiner Klös sagte: „Es war furchtbar, aber ich wusste sofort, dass hier nichts mehr zu machen war.“ Der gut 270 Kilo schwere Kadaver von Knut wurde am späten Samstagabend mit Hilfe eines Krans geborgen und in einen Kühlraum gebracht. Anfang der Woche soll eine Sektion Klarheit über die Ursache des plötzlichen Todes bringen.

Das kurze Leben des berühmten Eisbären Knut gleicht einem Märchen, war voller Freude und Leid. So groß wie die Zuneigung zu ihm war auch die Trauer. Per Internet verbreitete sich die Todesnachricht sekundenschnell um die Welt. Tausende bekundeten am Wochenende auch im Netz ihre Betroffenheit. Eine Rollstuhlfahrerin, die zu den Berliner Stammfans von Knut zählt, sagte geschockt: „Ein Gutes hat es, jetzt ist Knut bei seinem Thomas Dörflein.“ Von seiner Mutter verstoßen, war der kleine Eisbär liebevoll von Tierpfleger Thomas Dörflein aufgezogen worden. Auch dieser starb unerwartet: Mit nur 44 Jahren erlag er im September 2008 einem Herzinfarkt.

810 Gramm wog der winzige Eisbär bei seiner Geburt am 5. Dezember 2006. Dörflein brachte ihn mit der Flasche durch. Dann der 23. März 2007: Die Weltpremiere des schneeweißen, knuddeligen Knuts, der als Symbol für eine durch Klimawandel und schmelzendes Eis bedrohte Art die Herzen der Menschen eroberte. Die Kassen klingelten: „Knut tut gut“, auf T-Shirts und Kaffeetassen gedruckt, als Plüschtier, in einer Hauptrolle im Kino-Film „Knut und seine Freunde“, in einer ARD-Fernsehreihe, im Buch eines amerikanischen Bestsellerautoren, auf einer Briefmarke - Knut war in den Medien und auf Geschenktischen allgegenwärtig. Elf Millionen Menschen besuchten Knut im Zoo, der an dem „Milliobär“ rund sieben Millionen Euro verdiente.

Die Knut-Story ging ans Gemüt. „Knut steht gegen das Böse in den Nachrichten“ sagte einmal Betreuer Klös. Ein US-Kameramann, der Knuts erste tapsige Schritte zusammen mit 500 Journalisten aus der ganzen Welt beobachtete, war damals gerührt: „Gestern filmte ich noch im Krieg, und heute darf ich hier sein.“

Nach 33 Jahren Pause war Knut der erste wieder in Berlin geborene Eisbär. Sein Zwilling starb vier Tage nach der Geburt, aber Pfleger Dörflein gab nie auf. Knut nuckelte an seinen Händen, trank zerstoßenes Katzenfutter mit Milch. Mit Elvis-Presley-Melodien auf der Gitarre sang Dörflein ihn zu Weihnachten in den Schlaf.

Knuts Leben ging ohne seinen Ziehvater weiter. Nun belustigten die Erlebnisse mit seinen ersten Freundinnen die Menschen. Gianna aus München führte sich zwar etwas grob mit einer krachenden Ohrfeige in Knuts Wohnzimmer ein. Einige Wochen später aber turtelten beide hinter den Bäumen auf dem Bärenfelsen. Inzwischen war auch klar, dass Knut vorbehaltlos dem Zoo Berlin gehörte. In einem spektakulären Gerichtsverfahren waren für 430 000 Euro die Besitzrechte vom Tierpark Neumünster abgekauft worden.

Die Fan-Gemeinde träumte schon von kleinen Knut-Babys. Doch es kam anders: Als Gianna nach München in ihren Heimatzoo Hellabrunn zurück musste, fand Zoo-Chef Bernhard Blaszkiewitz keine glückliche Lösung. Knut verbrachte die letzten Monate seines kurzen Lebens als gerade Vierjähriger und noch nicht geschlechtsreifer Bär in der Gesellschaft von drei alten Eisbärendamen.

Das Trio - seine Mutter Tosca, Nancy und Katjuscha, alle über 20 - isolierten ihn, ließen ihm auf dem riesigen Bärenfelsen nur wenig Platz. „Mobbing“ gegen Knut hieß es in Schlagzeilen. Katjuscha griff ihn einmal so heftig an, dass er rückwärts ins Wasser fiel. Im Netz wurden die Bilder massenhaft angeklickt.

Die kanadische Eisbären-Expertin Else Poulsen übte scharfe Kritik. Sein Leben mit den drei Weibchen sei „monoton, nicht zeitgemäß und grausam“. Die Tierrechtsorganisation Peta, die Berliner Grünen, der Deutsche Tierschutzbund forderten Verbesserungen in der Haltung. Doch es blieb, wie es war - bis zu Knuts überraschendem Tod, bei dem er auf dem Bärenfelsen und im Wasser ganz allein war.

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