Kulturhauptstadt Guimarães feiert

Guimarães (dpa) - Megaparty im Schuldenland: Zehntausende Menschen haben in der Nacht zum Sonntag auf den Straßen von Guimarães im Norden Portugals die Saison-Eröffnung der Europäischen Kulturhauptstadt 2012 gefeiert.

Das für den 28. Juli vorgesehene Konzert von Chansonstar Ute Lemper sowie die angekündigten Besuche des legendären Filmregisseurs Jean-Luc Godard und des Literatur-Nobelpreisträgers Mario Vargas Llosa aus Peru werden das Jahr im beschaulichen 50 000-Einwohner-Städtchen sicher ebenso prägen wie die flatternden Unterhosen, Laken und Hemden, die vor den kunstvollen Kachelfassaden überall zum Trocknen hängen.

„Krise ist heute nicht, wir sind das Zentrum der Welt“, schrie gegen zwei Uhr morgens ausgelassen die 23-jährige Joanna. Die Plätze und engen Gassen im malerischen mittelalterlichen Stadtzentrum, das seit 2001 auf der Unesco-Welterbe-Liste steht, platzten noch in den Morgenstunden aus allen Nähten. „Das ist wie Karneval in Rio, für 50 Meter brauche ich eine Stunde“, staunte Besucher Thomas (30) aus Hannover. Auf den Straßen, in Restaurants und Cafés traten DJs und Sänger auf, es gab auch Ausstellungen. Höhepunkt der Nacht war der Open-Air-Auftritt der katalanischen Schocktruppe La Fura dels Baús mit wandernden Riesenfiguren, Feuerwerk, Musik und Videomapping.

Bei der offiziellen Eröffnungsfeier hatte zuvor der Präsident der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, seinen krisenerschütterten Landsleuten Mut zugesprochen: „Die Europäische Kulturhauptstadt soll auch zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Ländern beitragen, in denen sie stattfindet“, sagte der Portugiese. Barroso hob in seiner Rede die wachsende Bedeutung der Kultur auch für die Wirtschaft Europas hervor. Bei steigender Tendenz mache sie bereits 3,5 bis 4 Prozent der Gesamtproduktion in der EU aus.

Die verarmten Portugiesen und vor allem die Bewohner von Guimarães hoffen auf eine ähnliche Entwicklung wie etwa in der Kulturhauptstadt 2008 Liverpool, die lange Jahre der Tristesse erlebte, zuletzt aber laut „New York Times“ dank des Events nach und nach zu einem „neuen Barcelona“ werde. Guimarães werde das Image Portugals verbessern beteuerte Landespräsident Anibal Cavaco Silva am Samstag. Der Chef der 2012-Stiftung, João Serra, sagte, die Kulturhauptstadt sei in einer schwierigen Zeit für Europa ein „Symbol gegen Skepsis und Aufgabe“.

Der Gesamtetat von 118 Millionen Euro wird zu 15 Prozent mit EU-Mitteln gedeckt. Das Programm umfasst über 600 Events, darunter Konzerte, Film- und Theateraufführungen, Ausstellungen sowie Vorträge und Straßenshows. Der Löwenanteil wird aber in die Infrastruktur gesteckt. Auf dem Gelände des alten Marktplatzes wird eine „Plattform der Künste“ mit Bühnen, Ateliers und kreativen Läden errichtet, die im Juni eröffnet werden soll. Ein interaktives „Haus des Gedächtnisses“ entsteht ebenfalls. Die aus dem 10. Jahrhundert stammende Stadtburg und der um 1420 erbaute Prachtpalast Paço Ducal wurden restauriert.

In Portugal ist Guimarães jedem Schulkind ein Begriff. Die „atemberaubend schöne“ Stadt („New York Times“) am Fuße der Serra da Penha rund 350 Kilometer nördlich von Lissabon war im 12. Jahrhundert unter König Alfons dem Eroberer erste Hauptstadt Portugals und somit „Wiege der Nation“. Ausländische Touristen verirren sich hierher aber nur selten. Das soll sich nun ändern. Die Organisatoren erwarten 1,5 Millionen Besucher. „Es geht darum, Guimarães auf die Europakarte zu setzen“, so die Pianistin und Ex-Kulturministerin Gabriela Canavilhas.

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