Kunsthalle Bremen zeigt Picassos „Sylvette“-Porträts

Bremen (dpa) — Picasso steckt 1954 in einer Krise. Seine Lebensgefährtin Françoise Gilot hat ihn mit den geliebten Kindern verlassen. Da entdeckt der Künstler im südfranzösischen Töpferdorf Vallauris die junge Sylvette David.

Kunsthalle Bremen zeigt Picassos „Sylvette“-Porträts
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Zwei Monate lang porträtiert er die 19-Jährige, fast jeden Tag. 60 Jahre später reist diese Frau, die sich inzwischen Lydia Corbett nennt und selbst Künstlerin ist, nach Bremen, um die Porträtserie erstmals wieder zu sehen. „Ich habe mein Leben lang auf diese Ausstellung gewartet.“

Kunsthalle Bremen zeigt Picassos „Sylvette“-Porträts
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In der am Samstag beginnenden Ausstellung „Sylvette, Sylvette, Sylvette. Picasso und das Modell“ zeigt die Kunsthalle Bremen 146 Picasso-Werke sowie zahlreiche historische Fotos von Maler und Muse. Ausstellungswände in lichtem Gelb und Blau spiegeln die Farben der Sonnenschirme an der Côte d’Azur.

Im Mittelpunkt stehen die 30 Sylvette-Porträts. Picasso springt hier virtuos zwischen den Stilrichtungen hin und her. Er zeigt die junge Schönheit naturnah, abstrakt, kubistisch. Bisweilen erinnert ihr Gesicht an Karikaturen. Als habe er sein Modell beeindrucken wollen, setzt das Malergenie den Pinsel auf alles, was er gerade zur Hand hat: Papier, Pappe, Leinwand, Ton und — ein Höhepunkt in der Ausstellung — gefaltete Metallskulpturen.

Fotos und Zeitschriften der 50er Jahre zeigen, wie die junge Französin mit einem Schlag Topthema der Illustrierten ist. Mit blondem Pony und Pferdeschwanz wird die Kindfrau zur Stil-Ikone. Sie habe einen regelrechten „Ponytale“-Hype ausgelöst, sagt Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg. Sogar die als Sexsymbol gefeierte Schauspielerin Brigitte Bardot trug plötzlich blond und Zopf. Auch sie wollte wohl von Picasso porträtiert werden. Vergeblich.

Auslöser für die Ausstellung waren Grunenbergs Kontakt zur Zeitzeugin und das „Sylvette“-Gemälde der Kunsthalle Bremen. Auch wenn einige Kritiker der Serie modische Coolness und kitschige Sentimentalität vorwerfen, spricht Grunenberg von großer Virtuosität. „Nach einer Ausstellung 1954 sind die Werke jetzt erstmalig und einmalig in Bremen zu sehen.“ Es sei eine detektivische Arbeit gewesen, die Porträts in Japan, den USA und Europa ausfindig zu machen. Sylvette David habe viele Privatsammler in sehr persönlichen Briefen gebeten, ihre Werke auszuleihen.

David, mit 79 Jahren eines der letzten lebenden Picasso-Modelle, erinnerte sich beim Ausstellungsrundgang an die Begegnung mit dem Malergenie. „Ich war schüchtern und träumte viel. Vielleicht fand mich Picasso deshalb so ungewöhnlich. Er mochte mich, hat mir Selbstbewusstsein gegeben und mich ermutigt, Kunst zu machen, weil es das war, was ihn in seinem Leben am glücklichsten gemacht hat“, sagte die Frau, die heute keinen Pferdeschwanz mehr trägt, sondern geflochtene Zöpfe.

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