Leipzig im Festival-Fieber: Wave-Gotik trifft Bach

Leipzig (dpa) - Von weitem ist nicht zu erkennen, wer sich da auf den Stufen vor der Leipziger Oper versammelt hat: Sind es Menschen in Abendgarderobe, die zu einem Konzert des Leipziger Bachfestes gehen?

Oder die ebenfalls schwarz gekleideten Freunde der düsteren Musik, die zum 20. Wave-Gotik-Treffen (WGT) angereist sind?

In Leipzigs Innenstadt war es am Pfingstwochenende doppelt voll. Die einen tragen die Farbe Schwarz nicht nur am Körper, sondern auch im Namen: „Schwarze Szene“ wird die zusammengewürfelte Gruppe der WGT-Besucher genannt. Bis zum Pfingstmontag schlenderten Punks neben blass geschminkten Damen in Reifröcken und Spitzenkorsagen durch die Innenstadt. Und trafen vom ersten Festival-Tag an auf Bach: Zeitgleich mit dem WGT wurde am Freitag auch das Bachfest eröffnet.

„Das Wave-Gotik-Treffen ist eine gute Ergänzung für das Bachfest und umgekehrt“, sagt Detloff Schwerdtfeger, Organisator des Bachfestes. Die beiden Festivals hätten sich schon einmal überschnitten. Viele der Wave-Gotik-Anhänger seien auch in die klassischen Konzerte gekommen.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Wegen der diesjährigen Bachfest-Überschneidung herrsche Schlafplatzmangel, sagt Wave-Gotik-Sprecher Cornelius Brach. „Der Zeltplatz am WGT-Gelände ist zum ersten Mal völlig ausgebucht. Wir platzen aus allen Nähten.“ Knapp die Hälfte der 20 000 jährlichen Festival-Besucher zelten auf dem agra-Gelände im Süden Leipzigs. Das WGT gilt als größte Veranstaltung seiner Art.

Hilde Hoogland und Yves Goossens aus Belgien haben einen Platz in einem Innenstadthotel ergattert. Die beiden langjährigen Anhänger der Wave-Gotik-Szene sind zum fünften Mal beim größten Treffen der Schwarzen Szene weltweit. Sie haben gleich einen Leipzig-Urlaub aus ihrem Besuch gemacht. „Wir sind seit Dienstag hier und bleiben eine Woche“, erzählt Hilde. Sie ist in eine schicke Robe aus dickem roten Samt und feiner schwarzer Spitze gekleidet.

Doch der große Hingucker vor der Moritzbastei ist ihr Freund Yves. Geduldig posiert der Belgier vor den Kameralinsen Dutzender Szeneanhänger und Passanten. Mehrere Monate habe er an seinem aufwendig mit Zahnrädern, Totenköpfen und Kreuzen benähten Anzug gearbeitet. Eine Gesichtshälfte schmückt eine bronzefarbene Maske, den Kopf ein schwarzer Zylinder mit Bändern und Plastiktotenköpfen.

Seit 33 Jahren gehöre er zur Szene, erzählt Yves. Er sei über den damals aufkommenden New Wave zur Subkultur gekommen. Was er am Wave-Gotik-Treffen liebt? „Die Musik, die Atmosphäre, die Leute.“ Beide haben am Freitagabend bei einem Stadtspaziergang den Konzerten des Bachfestes auf dem Markt und in den Passagen gelauscht.

„Viele von uns hören gern klassische Musik. Der Einfluss früherer Jahrhunderte auf unsere Musik und unsere Kleider ist ja nicht zu übersehen“, sagt Hilde und zupft an ihrem Samtrock. Die Überschneidung der Festivals hat indes Seltenheitswert: Wave-Gotik trifft Bach für die nächsten 20 Jahre nicht mehr.

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