Nobelpreisträger Mo Yan: Zensur gibt es überall

Stockholm (dpa) - Pressekonferenzen seien ihm als „ganz schrecklich“ für Literaturnobelpreisträger geschildert worden, sagte Mo Yan aus China zur Einleitung in Stockholm milde lächelnd.

Eine Stunde später war dem 57-jährigen Nobelpreisträger beim Gang hinaus nicht anzusehen, ob er die Prophezeiung als zutreffend einstufte. Dafür durften sich die Kritiker des aus Peking über Helsinki zur Nobelpreisverleihung angereisten Autors bestätigt fühlen.

Mo Yan präsentierte sich, gewollt oder ungewollt, als „Mann des Systems“, dem kein kritisches Wort zur Unterdrückung von Meinungsfreiheit in seinem Land und der Einkerkerung von Oppositionellen zu entlocken war.

Zensur in China? Natürlich sei er „auf der ganzen Welt dagegen“. Aber andererseits gebe es sie ja auch überall, in jedem Land. „Verleumdungen, Verunglimpfungen, Gerüchte und Beleidigungen muss man schon zensieren“, sagte der Preisträger, da reiche doch ein Blick ins Internet. Ob es denn nach seiner Meinung Meinungsfreiheit in seinem Land gebe, fragte eine Journalistin und erhielt dieselbe Antwort: „Schauen Sie ins Internet, dann wissen Sie es.“

Seine Auszeichnung mit dem berühmtesten Literaturpreis der Welt sieht Mo Yan als „Sieg der Literatur über die Politik“. Und über Politik wollte er deshalb eben in Stockholm möglichst nicht reden. Ließ er mehrfache Nachfragen nach seiner Stellung zur Zensur noch vergleichsweise ruhig abperlen, wurde Mo Yan bei den wiederholten Bitten um seine Meinung zur Inhaftierung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo doch zunehmend ungehalten und im Ton schärfer.

„Ich habe mich dazu im Oktober geäußert, das muss reichen“, beschied er die Frager mehrfach - um am Ende dann doch, offenbar verärgert, klipp und klar zu sagen, dass er sich nicht an den Bemühungen um eine Freilassung zu beteiligen gedenke. 134 andere Nobelpreisträger hingegen setzen sich vehement für Liu Xiaobo ein. „Lassen wir es die Zeit entscheiden“ kam gar als Antwort, als Mo Yan gefragt wurde, ob er für eine schnelle Haftentlassung des chinesischen Friedensnobelpreisträgers sei.

„Mo Yan ist ein Zyniker“, schrieb der in Berlin lebende chinesische Autor Liao Yiwu in einem Beitrag für „Svenska Dagbladet“ über Mo Yan am Donnerstag. Er schloss sich Herta Müllers Einstufung des diesjährigen Literaturnobelpreises als „Katastrophe“ an. Mo Yan selbst sah keine Probleme, außer dass er als berühmter Nobelpreisträger nun nicht mehr unerkannt durch Peking radeln könne. Was der Preis für China bedeute? „Ich hoffe, dass die Begeisterung für mich jetzt übergeht in Begeisterung für andere chinesische Schriftsteller.“

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