Prozess um Fischers Sex-Video: Freispruch für Journalisten

München (dpa) - Im Prozess um eine angebliche Erpressung des Kabarettisten Ottfried Fischer (59) mit einem Sex-Video ist der angeklagte Journalist vor dem Landgericht München freigesprochen worden.

Eine persönliche Schuld des Angeklagten sei nicht feststellbar gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Hensel am Donnerstag. Eine gewisse „Nähe zu unkorrektem Verhalten“ sei zwar gegeben, eine Nötigung sei aber nicht nachweisbar.

Der Richter betonte jedoch: „Was da passiert ist, ist eine Riesen-Sauerei. Was der einzelne in seiner Wohnung macht, geht niemanden etwas an.“ Fischer war beim Sex mit zwei Prostituierten in seiner Münchner Wohnung gefilmt worden. Das Video gelangte in die Hände des „Bild“-Journalisten.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten eine Geldstrafe von 42 000 Euro gefordert - 280 Tagessätze von 150 Euro, die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Dem Journalisten wurde vorgeworden, den an Parkinson erkrankten Kabarettisten und Schauspieler („Der Bulle von Tölz“) im Jahr 2009 mit dem delikaten Video zu einem Exklusiv-Interview erpresst zu haben.

Fischer zeigte sich enttäuscht über das Urteil: Der Angeklagte habe ein Video gekauft, das seine Persönlichkeitsrechte nicht massiver hätte verletzen können. „Ich bin froh und dankbar, dass mein Publikum mir trotz der gewaschenen schmutzigen Wäsche treu geblieben ist“, erklärte er in einer Stellungnahme an die dpa.

Dagegen bezeichnete die Axel-Springer-AG die Entscheidung der Richter als „Sieg für die Recherchefreiheit der Presse“. „Der Versuch der Münchener Staatsanwaltschaft und Ottfried Fischers, presserechtlich gebotene Arbeit von Journalisten zu kriminalisieren, ist gescheitert“, erklärte der Leiter Medienrecht, Claas-Hendrik Soehring.

Der Prozess hatte sich zu einer schier unendlichen Geschichte entwickelt. Der Journalist, der wegen Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch unbefugte Bildaufnahmen vor Gericht stand, war in erster Instanz zu einer deutlich geringeren Geldstrafe von 14 400 Euro verurteilt, in zweiter Instanz aber freigesprochen worden. Das Oberlandesgericht hatte den Freispruch aber wieder kassiert und den Fall an das Landgericht zurück verwiesen. Der Angeklagte bestritt auch in seinem letzten Wort jede Erpressungsabsicht.

Auch das neue Urteil ist womöglich nur eine weitere Etappe auf einem langen Weg. „Es wird wahrscheinlich noch weitergehen“, hatte Hensel zu Beginn der neuen Verhandlung gesagt. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverfassungsgericht hier eine Entscheidung trifft.“ Fischers Anwälte kündigten bereits an, ein Anfechtung des Urteils zu prüfen.

Der Verteidiger des Angeklagten, Ulrich Ziegert, kritisierte in seinem Plädoyer, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nicht der Journalist, sondern dessen Medium auf der Anklagebank gesessen habe. Man habe auf den Mann eingeschlagen, „um die "Bild"-Zeitung zu treffen“. Nicht nur die als „werthaltig“ geltende Presse könne sich auf die im Grundgesetz festgeschriebene Pressefreiheit berufen. „Auch der Boulevard ist geschützt.“

Fischers Anwalt Christoph Knauer betonte dagegen, die Pressefreiheit habe ihre Grenzen im Persönlichkeitsrecht - vor allem dann, wenn es um die Intimsphäre gehe. „Pressefreiheit bedeutet, dem, den man konfrontiert, den freien Willen zu lassen.“

In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Fischer, er habe verhindern wollen, dass „Pressefreiheit zur Erpresserfreiheit“ verkommt. Vor Gericht schilderte der Kabarettist was er empfand, als er erfuhr, dass die „Bild“-Zeitung im Besitz des Videos ist: „Ich hatte Angst um meine Existenz.“ Die Zeitung sei sehr mächtig, gab Fischer zu bedenken. Er habe nur seine Ruhe haben und erreichen wollen, „dass ich nicht wieder in den Dreck gezogen werde“. Aber: „Die Schlagzeile "Huren, Huren, Huren" wird immer bleiben.“

Für Diskussionen sorgte am langen, zehnstündigen Verhandlungstag die Abwesenheit des Zeugen, der dem Journalisten damals unter falschem Namen das Sex-Video angeboten hatte. Der Mann hält sich nach Angaben seines Anwaltes im Ausland auf und habe nicht die Mittel, die Kosten für einen Flug auf sich zu nehmen. Im Übrigen habe die Axel-Springer-AG Strafanzeige wegen Betrugs gegen ihn erstattet, daher fürchte er weitere rechtliche Schritte, sollte er nach Deutschland zurückkommen. Fischers Anwälte warfen dem Verlag vor, die Anzeige erstattet zu haben, um den Zeugen davon abzuhalten, vor Gericht auszusagen. Die Anwälte des Angeklagten und der Axel-Springer-Verlag wiesen das zurück.

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