Spätberufene tanzen in Dortmund Ballett

Dortmund (dpa) - Viele aus der Generation 50plus sind sportlich aktiv, doch Balletttanz zählt eher nicht dazu. Wenige starten im Rentenalter in dieses Hobby, bei dem es um Körperlichkeit und Sinnlichkeit geht.

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Das Seniorentanztheater am Ballett Dortmund wagt es trotzdem und das Interesse ist da.

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Rund zwei Dutzend spätberufene Laien im Alter zwischen 55 und 80 Jahren treffen sich regelmäßig zum Training, darunter auch eine Handvoll Männer. Unter der Anleitung eines professionellen Tanzlehrers wird einmal im Jahr ein Stück eingeübt und auf der Bühne des Theaters Dortmunds uraufgeführt. Nach Einschätzung des Dachverbandes Tanz in Berlin ist das Dortmunder Seniorentanztheater ein „Pionier-Projekt“.

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Umschlingen, im Halbkreis herumführen und sanft wieder loslassen: Im Ballettzentrum, wo an anderen Tagen die Profis schwitzen, übt Choreograph Mark Hoskins eine Hebefigur mit seinen Schützlingen.

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„Seien Sie vorsichtig, nicht dass morgen der Rücken schmerzt“, warnt er, während er durch die Reihen geht und hier und da die Körperhaltung korrigiert. Alle sind sehr ernsthaft, sehr konzentriert bei der Sache, die meisten tragen enge schwarze Ballettkostüme.

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„Wer mitmachen will muss nicht vortanzen“, erklärt Barbara Huber. Die ehemalige Hauptschullehrerin rief die Truppe 2009 ins Leben. „Ob dick, dünn, klein, groß - das ist egal.“ Huber verlässt sich bei der Auswahl mehr auf ein langes Vorgespräch. Damit findet sie vor dem ersten Probetraining heraus, ob ein Interessent passt.

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Manchmal merke sie, dass seelische Probleme hinter der Anfrage steckten. „Wir machen hier aber kein therapeutisches Tanzen“, betont Huber. Für viele Senioren sei Balletttanz ein Traum, der sich in der Jugend nicht verwirklichen ließ - aus ganz verschiedenen Gründen. Die Tänzer stammten aus ganz unterschiedlichen Berufen - von der Ärztin, über Lehrerinnen bis zum Pianisten.

„Als ich vor zwei Jahren Neu-Rentner wurde, wusste ich nach sechs Wochen auf der Couch - du musst wieder was machen“, erzählt Tänzer Lothar Porschen. Der 65-Jährige schätzt am Tanzen das „vielseitige Training“, das einen auch mental fordere. Aus seiner Familie kämen durchweg positive Reaktionen. „Und auch mein Rheumatologe sagt: „Das ist das Beste was Du machen kannst für deine Gelenke.““

Als ehemaliger Chef sei es für ihn zunächst ungewohnt gewesen, sich auch mal leiten zu lassen, bekennt Porschen. Manchmal gehe die Senior-Compagnie gemeinsam in Vorstellungen des „echten Balletts“. „Das ist die Champions League, wir sind die Thekenmannschaft“, sagt Porschen scherzend.

Mittänzerin Karin Miller ist von Anfang an dabei: „Das beflügelt auch meine Seele“, sagt sie. Oft gehe es beim Tanzen um sehr emotionale Dinge, etwa wenn der Choreograph die Gruppe bitte, Empfindungen darzustellen: „Was bedeutet Sehnsucht?“. Dann gehöre schon Mut dazu, seine Gefühle vor den anderen zu zeigen, sagt Miller.

Die größere Lebenserfahrung sei etwas, was Tänzer im gesetzteren Alter der Jugend voraus hätten, sagt Nicole Hohmeister-Kölling vom Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik. Der Lehrer sollte in seiner altersangepassten Choreographie den Schwerpunkt mehr auf Ausdruck und Inhalt legen - statt auf Sprungkraft und Schnelligkeit.

„Ich bin es gewohnt, mich in meinem Leben immer neuen Herausforderungen zu stellen“, sagt die 65-jährige Ulla Kallert. Sie habe zwar Erfahrung mit Theater und Improvisationstanz - aber Ballett ist Neuland. „Ich bin erst seit kurzem dabei - und hatte einen ordentlichen Muskelkater.“

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