Streit um 22 Jahre alte Pommes vor Gericht

München (dpa) - Keine Frage, alles wird teurer. So kann es durchaus sein, dass jemand für zwei 22 Jahre alte vertrocknete Pommes 2500 Euro zahlen würde - zumal wenn diese Pommes von einem Künstler stammen und Vorlage für ein Objekt aus feinstem Gold namens „Pommes d'or“ waren.

Dumm nur: Genau diese beiden Pommes aus dem Jahr 1990 sind spurlos verschwunden. Vor dem Münchner Oberlandesgericht stritten am Donnerstag der Künstler Stefan Bohnenberger und seine frühere Galerie, ob für die beiden Fritten Schadenersatz gezahlt werden muss. Der Künstler, der inzwischen im Heimatland der Fritte, in Belgien, lebt, verlangt von der Münchner Galerie Mosel und Tschechow 2000 Euro für die verlorenen Pommes.

Die Kartoffelstäbchen, von denen Abgüsse aus Gold gefertigt wurden, seien selbst keine Kunstobjekte, sagt die Galeristin Andrea Tschechow. Sie waren 1990 in der Ausstellung zwar ebenfalls zu sehen. Im Ausstellungskatalog hieß es über Fritte und Abguss: „Dazwischen liegt die Metamorphose eines profanen Alltagsgegenstands in ein sakrales Kunstwerk, der alchimistische Schritt zu 999.9 Feingold ist vollbracht.“ Die echten Pommes standen sogar mit weiteren Gegenständen für insgesamt 4200 Euro zum Verkauf - allerdings ohne Erfolg.

Dennoch ist für Tschechow klar: „Das waren nicht vom Künstler signierte Objekte - es waren Belegstücke.“ Sie glaubt, dass der Künstler das Pommes-Paar 2005 bei der Trennung von der Galerie mit anderen Dingen zurückerhalten habe. Und überhaupt: „Sie waren dem Verfall preisgegeben, weil sie ihren Zweck erfüllt hatten.“

Das sehen der Künstler, sein Anwalt Louis Peters und eine befreundete Sammlerin ganz anders. „Wir haben etliche Sachen von Stefan Bohnenberger, und das würde gut in unsere Sammlung passen“, erklärte die Kölner Sammlerin dem 23. Zivilsenat. „Er hat uns das für 2500 Euro angeboten. Wir haben das akzeptiert - weil alles ist teurer geworden.“ Immerhin sei der Künstler, mit dem sie seit 20 Jahren befreundet ist, international bekannt. Und: „Ich glaube, Kunst kann man in dem Sinne nicht bewerten.“

Freilich hat die Sammlerin das Werk nie im Original gesehen, sondern nur im Katalog. Die Abgüsse in hochkarätigem 999,9 Feingold lassen nur ahnen, wie die Pommes vor 22 Jahren aussahen: In einem Kästchen präsentiert Anwalt Peters zwei schiefe, übereinandergelegte goldene Stäbchen mit grober Oberfläche, Wert: Rund 22 000 Euro. Auch um die Gold-Pommes wurde gestritten, die Galerie hatte sie nach einem Urteil gegen den Herstellungspreis von 980 Euro herausgegeben.

„Ich bin zu McDonalds gegangen, habe mir eine Tüte Pommes gekauft, mehrere Kreuze gelegt und dann eines ausgesucht für den Abdruck“, sagte Bohnenberger der dpa über die Entstehung des Werkes. „Das ist das Original, von dem der Abguss gemacht wurde. Ein Original hat immer eine große Bedeutung.“ Schließlich seien auch für die „Fettecke“ von Joseph Beuys in der Düsseldorfer Kunstakademie, die ein Hausmeister entfernen ließ, 40 000 Euro Schadenersatz gezahlt worden.

Tatsächlich besitzt die Galeristin noch drei alte Pommes-Paare von damals, sozusagen „Reservestücke“. Bohnenberg habe sie ihr geschenkt, sagt sie. Warum sie diese nicht weggeworfen habe, wenn sie das doch nicht für Kunst halte, warf ihr Anwalt Peters vor. „Es sind ganz verhuzzelte alte Dinger“, konterte Tschechow.

Für Richter Hartmut Fischer ist dennoch nicht ausgeschlossen, dass die Pommes einen monetären Wert haben. Er wolle nicht einmal der „spannenden Frage“ nachgehen, was Kunst sei. Dazu habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es keinen Konsens gebe, gerade weil die Avantgarde versuche, die Grenzen des Kunstbegriffs zu erweitern. Vielmehr gehe es um eine mögliche Pflichtverletzung der Galerie.

Die Pommes seien von der Gießerei feinsäuberlich zurückgegeben worden und hätten auch in der Ausstellung einen Platz gehabt. „Das macht man nicht, wenn man sagt: Das sind nur zwei alte Pommes, die ich genauso gut wegschmeißen könnte“, sagte Fischer. „Es ist etwas, dem die Parteien Bedeutung beigemessen haben.“ Und in einer Marktwirtschaft gelte: „Einen Wert hat nur das, für das ein anderer bereit ist, einen entsprechenden Preis zu zahlen.“ Am 9. Februar wird das Gericht entscheiden, was die Pommes wirklich wert sind.

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