Urteil in Drehbuch-Affäre: Bewährungsstrafe für Heinze

Hamburg (dpa) - Für die Drehbuch-Affäre beim NDR muss die frühere Fernsehspielchefin Doris Heinze nicht ins Gefängnis. Das Hamburger Landgericht verurteilte die 63-Jährige am Montag zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung.

Die Richter sahen Heinze der Bestechlichkeit und des Betrugs in Tateinheit mit Untreue überführt. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft für Heinze gefordert. Sie prüft noch, ob sie das Urteil mit einer Revision anfechten wird.

Heinze hatte im Prozess zugegeben, unter den Pseudonymen „Marie Funder“ und „Niklas Becker“ Drehbücher von sich und ihrem Ehemann beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) eingeschleust zu haben. Sie war in ihrer Funktion unter anderem für die „Tatorte“ aus Hamburg, Hannover und Kiel sowie für Serien wie „Polizeiruf 110“ verantwortlich.

Heinzes Ehemann wurde als Drehbuchautor ebenfalls wegen Bestechlichkeit zu einer Geldstrafe von 3240 Euro verurteilt. Eine mitangeklagte Filmproduzentin muss wegen Bestechung 2100 Euro zahlen. Das Gericht hatte seit Anfang Juli verhandelt.

„Ich selbst bin mit dem Urteil zufrieden. Ich glaube auch, dass Frau Heinze sehr gut damit leben wird“, sagte ihr Verteidiger Gerd Benoit. Vor drei Jahren war die Drehbuch-Affäre um die als mächtig und einflussreich geltende NDR-Fernsehspielchefin Heinze ans Licht gekommen. Am Montag, drei Monate nach Prozessbeginn, verließ sie nach dem Urteilsspruch wortlos mit ihrem Mann das Gericht - ihr Gesicht hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Die Filmproduzentin wandte schon im Gerichtssaal bewusst ihr Gesicht von den Kameras ab.

Sie habe ihre einflussreiche Position ausgenutzt, hatte die Ex-Fernsehspielchefin auf der Anklagebank eingeräumt. Das Gericht sah in Doris Heinze die treibende Kraft in einer wirtschaftlichen Dreiecksbeziehung - zwischen der Fernsehspielchefin, ihrem Ehemann als Drehbuchautor und der Filmproduzentin.

Die Anklage hatte Heinze unter anderem verbotene Absprachen mit der TV-Produzentin aus München vorgeworfen. Es müsse eine stillschweigende Übereinkunft gegeben haben, die Pseudonyme nicht auszuplappern, hielt der Vorsitzende Richter, Volker Bruns, den TV-Macherinnen am Montag vor.

Die Filmproduzentin, die nun verurteilt wegen Bestechung wurde, habe gewusst, dass Heinze gegen ihre Pflichten gegenüber dem Sender verstoßen habe. „Die Vetternwirtschaftsproblematik muss Ihnen ziemlich klar vor Augen gestanden haben“, sagte der Richter. Und beide Geschäftsfrauen hätten darauf vertraut, dass Heinze beim NDR Projekte durchbringen konnte.

„Pflichtwidrig“, dieses Wort muss sich Heinze an diesem Morgen mehrfach anhören. Denn als Fernsehspielchefin des NDR - 18 Jahre lang und unter anderem für die Nord-„Tatorte“ aus Hamburg, Hannover und Kiel sowie für Serien wie „Polizeiruf 110“ verantwortlich - war sie eine „Mitentscheiderin“ - „Amtsträgerin“ - im öffentlich-rechtlichen Sender, wie eine Gerichtssprecherin erläuterte. „Das ist die Basis für eine Verurteilung für Bestechlichkeit und Bestechung.“

Pflichtwidrig habe Heinze bei der Auftragsvergabe gehandelt, durch Drehbuch-Aufträge an ihren Mann obendrein in die eigene Familienkasse gewirtschaftet, urteilte das Gericht. Die Aufbesserung der eigenen Finanzen - „es wäre lebensfremd anzunehmen, dass das überhaupt keine Rolle spielte“, sagte Richter Bruns. Heinzes Verteidiger hatte es anders dargestellt: „Die Lust am Schreiben“ sei das Hauptmotiv bei Heinzes Handeln gewesen. Bei einem Drehbuch „Dienstage mit Antoine“, das Heinze selbst jedoch nicht zu Ende brachte, habe sie den NDR getäuscht und dem Sender einen Schaden von 26 000 Euro zugefügt - deswegen ihre Verurteilung auch wegen Betrugs und Untreue. Bei der Festsetzung des Strafmaßes hielt das Gericht den Angeklagten zugute: „Sie wollten gute Filme machen und keinen Schrott unterjubeln.“

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