Viel Politik am Rosenmontag

Köln/Düsseldorf/Mainz (dpa) - Was verbindet Gaddafi, Guttenberg und Sarrazin? Sie alle taugen zum Pappkameraden im Rosenmontagszug. Und nicht nur die politischen Vorlagen stimmten diesmal - auch das Wetter.

Bei strahlender Sonne kamen allein in Köln, Düsseldorf und Mainz zusammen über drei Millionen auf die Straßen. Die Schauplätze des Geschehens im Einzelnen:

KÖLN: 150 Wagen, 1,5 Millionen Zuschauer, 300 Tonnen Wurfmaterial, darunter 700 000 Schokoladentafeln und 220 000 Pralinenschachteln. Muss man noch mehr sagen? Kölns Rosenmontagszug ist so lang, dass sich der letzte Wagen erst in Bewegung setzt, wenn der erste schon durchs Ziel gegangen ist. Und das waren die Höhepunkte unter den Motivwagen: Guttenberg taucht aus einem Kopierer auf und verkündet: „Kopieren statt studieren!“ Ein Tritt von Angela Merkel befördert ihn in die Wüste. US-Präsident Barack Obama will im Nahost-Konflikt ein Kamel durchs Nadelöhr schieben. Stuttgart 21 begräbt den gesunden Menschenverstand. Und die Libyer bringen mit Sägen, Hämmern und Stoßen das Kartenhaus des Gewaltherrschers Muammar al-Gaddafi zum Einsturz - hier war der Karneval dann sogar seiner Zeit voraus.

DÜSSELDORF: Die Düsseldorfer hatten einen Ruf zu verteidigen - nämlich den als frechster und politisch unkorrektester Karnevalszug. Und so ließen sie ihren Guttenberg an „Merkels 11. September“ mit einem Kampfjet ins Kanzleramt einschlagen. Auf ihrem Gaddafi-Wagen hofierte dem Öl-Diktator die Europäische Union mit dickem Euro-Sack. Bestseller-Autor Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) durchbohrte derweil als Ritter eine türkische Mutter mit voll besetztem Kinderwagen. Zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zeigten die Düsseldorfer einen Priester mit einem kleinen Jungen auf dem Schoß. Dazu der Spruch: „Bei uns ist jeden Tag Weltjugendtag“. Das wäre in Köln, dessen Dreigestirn in dieser Session sogar von Papst Benedikt XVI. empfangen wurde, nicht denkbar.

MAINZ: Das Motto in Määnz: „Egal was kommt, egal was ist, der Mainzer Narr bleibt Optimist.“ Super, das passt nächstes Jahr auch noch. Schön war zudem, dass man die Pappkameraden in Mainz gleich mit dem Original vergleichen konnte. Das galt jedenfalls für Ministerpräsident Kurt Beck und die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner, die einmal nackt als Loreley-Figur und einmal in Uniform als Zugteilnehmerin dabei war. Der unvermeidliche Guttenberg war von den Mainzern in letzter Minute noch in den Zug integriert worden: als aufgespießte Voodoo-Puppe in „Angies Voodoo Lounge“, wo er den Aussteigern Roland Koch und Jürgen Rüttgers Gesellschaft leistete.

OFFENBACH: Wenn sich dieses Mal am Rosenmontag sogar der eine oder andere Fastnachtsmuffel dazu stellte, dann lag das eindeutig am Wetter. Elf Stunden Sonnenschein am Stück - das gab's lange nicht. Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach konnte auch erklären, warum das so war: Die Luft war zu kalt und zu trocken für Wolken, sagte Meteorologe Helmut Malewski. „Das ist mit Verhältnissen in der Wüste zu vergleichen - da kriegt man Durst.“ Erst am Aschermittwoch soll's passend zur Katerstimmung regnen.

RIO DE JANEIRO: In Rio de Janeiro begann der Höhepunkt des Karnevals mit dem traditionellen Defilee der besten Sambaschulen. Motivwagen, Trommler, und Tanzgruppen - soweit ist alles wie in Köln und Mainz, doch was die Brasilianer den deutschen Jecken voraus haben, ist viel nackte Haut. So fuhr Top-Model Gisele Bündchen in einem knappen goldenen Kostüm als Venus mit - das schlägt Köln mit seinem ewigen Poldi und Wolfgang Niedecken um Längen. In einer VIP-Lounge feierten Ex-Baywatch-Star Pamela Anderson und der britische Schauspieler Jude Law mit. Beim Zugmotto tut sich dann doch eine Mentalitätskluft auf. Nix in der Art von „Köln hat was zu beaten“, sondern: „Dein, mein, unser Rio - von Gott gesegnet und schön durch die Natur“.

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