Zum 200.Geburtstag: Neue Bücher über Richard Wagner

Berlin (dpa) - Richard Wagners Leben ist ungewöhnlich gut dokumentiert. Er selbst hat fleißig Auskunft gegeben, Ehefrau Cosima führte über Jahre akribisch Tagebuch.

Dass man aber immer noch Neues über einen der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte sagen kann, beweist Martin Geck mit einer ausgezeichneten neuen Biografie. „Ich will nicht Wagner auf die Schliche kommen, sondern mir selbst und meiner Zeit“, schreibt Geck. Was fasziniert uns bis heute am „Tristan“ und am „Ring“? Beschädigt Wagners Antisemitismus sein Werk?

Entlang der Werke - von „Leubald“, dem ersten Versuch des jugendlichen Richard, bis zum Spätwerk „Parsifal“ - erzählt der renommierte Wagner-Forscher in 14 Kapiteln souverän von Wagners Leben. Eingestreut sind unter dem Stichwort „A propos“ 13 Intermezzi, die Wagners Verhältnis zu den Juden illustrieren - etwa über Felix Mendelssohn Bartholdy , Giacomo Meyerbeer oder Heinrich Heine. Der kritische Blick auf Wagner ist für den renommierten Musikwissenschaftler Geck eine Selbstverständlichkeit - und doch schimmert immer auch Sympathie für den großen Magier der Musik durch.

„Mein grösstes Erlebnis war eine Genesung. Wagner gehört bloss zu meinen Krankheiten“, schrieb Friedrich Nietzsche 1888 in seinem Buch „Der Fall Wagner“. Über Jahrzehnte arbeitete sich der Philosoph an dem mehr als 30 Jahre älteren Komponisten ab. Glühende Verehrung wandelte sich in tiefe Feindschaft. Das spannungsreiche Verhältnis der beiden Egomanen skizziert die Berliner Journalistin und Buchautorin Kerstin Decker in ihrem Buch „Nietzsche und Wagner. Geschichte einer Hassliebe“.

1868 war Nietzsche in Leipzig Wagner erstmals begegnet - ein halbes Jahr später besuchte er ihn bereits in Tribschen, Wagners Familienidyll nahe Luzern. „Ein ruhiger, angenehmer Besuch“, konstatierte Cosima Wagner. Ihre Tagebücher sind selbstredend eine wichtige Quelle für Deckers Buch, ebenso die Briefe und Schriften der beiden Protagonisten. Doch obwohl mit Zitaten gespickt, ist keine schwer verdauliche, philologische Abhandlung entstanden, sondern ein leichtes, fast romanhaftes Buch aus der Perspektive der Zeit.

Dass Wagner keineswegs nur ein ernster Eiferer war, sondern auch lachte, will Joachim Köhler zeigen. Sein Buch „Der lachende Wagner“ schildert - so der Untertitel - „das unbekannte Leben des Bayreuther Meisters“. Köhler hat viele Belege dafür zusammengetragen, dass Wagner selbstironisch, humorvoll und lustig sein konnte. Auch dass er gern akrobatische Kunststückchen machte, wird in mancher Anekdote gewürdigt. Zugleich reizte Wagner mit seiner Egomanie, seiner geringen Körpergröße, der auffälligen Physiognomie seine Kritiker. Wirklich erhellende Einsichten über Wagner gewinnt man aus dieser Fleißarbeit allerdings eher nicht.

Wer es im Wagner-Jahr ganz genau wissen will, greift zum „Wagner-Handbuch“, das der Züricher Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken herausgegeben hat. Es vereinigt Beiträge von rund 60 Wagner-Kennern. Der Direktor des Bayreuther Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, stellt „Wagners Schauplätze“ vor; Eva Rieger, Autorin mehrerer Wagner-Bücher, führt in Cosima Wagners Tagebücher ein; Gesangsexperte Jürgen Kesting schreibt über „Wagner-Gesang im 19. Jahrhundert“. Der Band enthält zudem Einzelbesprechungen aller Wagner-Werke, auch der weitgehend unbekannten - wer weiß schon, dass Richard Wagner den „Wahlspruch für die deutsche Feuerwehr“ vertonte? Weitgehend ausgeblendet wurde leider die fatale Rezeptionsgeschichte - eine bewusste Entscheidung, wie Herausgeber Lütteken erläutert: Es gehe in diesem Handbuch darum, „das Wissen über Wagner und seine Werke zusammenzufassen, nicht seine Wirkungen“.

Nach so viel Theorie erfrischt ein Blick in den Band „Das Rheingold“ aus dem Reclam Verlag. Der Zeichner und Buchillustrator Nikolaus Heidelbach hat das Libretto der Auftaktoper zum Epos „Der Ring des Nibelungen“ mit Figuren und Landschaften illustriert: Götter, Riesen und Rheintöchter versammeln sich da, man sieht den liebestollen Alberich, die mahnende Erda, die zagenden Nibelungen. Im Nachwort erzählt Nike Wagner, Urenkelin des Komponisten, sehr anschaulich und gar nicht hochgestochen von der Entstehungsgeschichte des „Ring“ und von Richard Wagners Festspielidee. Ein schönes Buch.

Martin Geck: Wagner. Biographie.

Siedler Verlag, München

416 S., 24,99 Euro

ISBN 978-3-88680-927-1

Laurenz Lütteken (Hg.): Wagner-Handbuch.

Verlage Bärenreiter, Kassel, und J. B. Metzler

Stuttgart und Weimar, 512 S., 69,95 Euro

ISBN 978-3-476-02428-2

Kerstin Decker: Nietzsche und Wagner.

Geschichte einer Hassliebe.

Propyläen Verlag, Berlin,

416 S., 16,99 Euro,

ISBN 978-3-549-07424-4

Joachim Köhler: Der lachende Wagner. Das unbekannte Leben des Bayreuther Meisters.

Heyne Verlag, München,

288 S., 18,99 Euro,

ISBN: 978-3-453-17875-5

Richard Wagner, Das Rheingold. Mit Bildern von Nikolaus Heidelbach, Nachwort von Nike Wagner.

Reclam Verlag, Stuttgart,

136 S., 24,95 Euro,

ISBN 978-3-15-010854-3

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