Charlene und der Mythos Grace

Die Olympia-Schwimmerin aus Südafrika steht kurz vor dem Ziel: Bald ist sie "Princesse de Monaco".

Monaco. Bei der Traumhochzeit in wenigen Tagen vollzieht sich die märchenhafte Wandlung der Charlene Wittstock. Mit dem "Ja-Wort" erhebt Fürst Albert II. die junge Bürgerliche aus Südafrika zur "Princesse de Monaco". Im eleganten weißen Armani-Brautkleid, mit funkelndem Diadem im blonden Haar und einem entzückenden Lächeln auf den Lippen wird die neue "Première Dame" Hunderte Millionen Fernsehzuschauer verzaubern.

An diesem warmen Frühlingstag hingegen, es ist der Montag nach dem furiosen "Großen Preis von Monaco", zeigt sich Charlene von einer ganz anderen Seite: sehr natürlich, sehr einfach. Von Glitzer und Glamour keine Spur. Nicht mal ein Halskettchen oder einen Ring trägt sie, nur ein schwarzes, sommerlich geblümtes "One-Shoulder"-Kleid und Flip-Flops.

Als frisch gekürte Botschafterin der "Special Olympics" besucht die frühere Weltklasseschwimmerin und angehende Landesmutter das Monaco-Team: allesamt junge Sportler mit geistiger Behinderung, die bei den Weltspielen Anfang Juli in Athen an den Start gehen. Ein Wangenkuss hier, eine herzliche Umarmung dort, sie schüttelt Hände und formt Worte aus Gesten und Zeichen.

"Schön ist sie", lächelt Sandra Franco, die Tischtennis-Europameisterin, verlegen. Dann geht's zum gemeinsamen Barbecue vor prächtiger Strandkulisse zwischen Luxushotel und Luxusyachten. Es besteht kein Zweifel: Die künftige Fürstin kommt gut an bei den Monegassen. "Von Zeit zu Zeit kauft sie in unserer Boutique ein, mal mit Freundin, mal mit ihrem Bruder", erzählen Céline und Magalie, Verkäuferinnen aus der "Metropole"-Galerie nahe dem mondänen "Casino".

"Charmant" sei sie, "sehr diskret", und "natürlich" - Charakterzüge, die in diesem oft disneyhaften Mikrokosmos aus Pomp und Protz, aus Show und Schein sofort angenehm auffallen. Im Grimaldi-Palast herrscht große Erleichterung über Charlenes hohen Sympathiewerte. Sie wissen aber auch, dass die Erwartungen an die neue Fürstin immer noch weitaus höher sind als so mancher Luxus-Wohnturm im so genannten "Manhattan am Mittelmeer".

Wer Mutmaßungen über Charlene anstellt, stößt spätestens im zweiten Satz auf Gracia Patricia. Und somit auf einen Mythos, der im Zwergstaat allgegenwärtig ist: Avenuen und Hospitäler sind nach der früheren Hollywood-Diva benannt, auch der Fürstenpalast ist voller Grace-Gemälde und Skulpturen. Besonders nostalgische Gracia-Patricia-Fans wandeln solange ergriffen über den eigens vom Tourismusbüro empfohlenen "Parcours Princesse Grace", bis sie zu Tränen gerührt das Taschentuch zücken.

Die Monegassen wissen sehr genau, was sie der 1982 tödlich verunglückten Fürstin zu verdanken haben: Geld, Wohlstand und Reichtum. Sie war es, die Mitte der Fünfziger Stars und Sternchen ins damals noch verträumte Fürstentum holte und Monacos Ruf als Jet-Set-Metropole und "Boomtown" mitbegründete. Vor allem aber lockte sie zusammen mit Rainier III., dem so genannten "Erbauerfürsten", unzählige Millionäre und Milliardäre ins attraktive Steuerparadies, von denen Tankerkönig Aristoteles Onassis der mit Abstand Schillerndste und Investitionsfreudigste war. Die Fürstin war es auch, die ihren einzigen Sohn, den Thronfolger, besonders geprägt hat. Hat sich Albert deshalb für Charlene entschieden, weil sie seiner Mutter ähnlich ist?

Nun, äußerliche Gemeinsamkeiten sind nicht zu leugnen. Beide sind blonde Schönheiten, von bürgerlichem Stand und anglophon. Ähnlichkeiten, die besonders hervortreten, wenn Karl Lagerfeld, der Modezar und Fotokünstler, die junge Braut für Hochglanzmagazine in eleganten schwarzen Abendkleidern mit viel Dekolletee vor der Kamera posieren lässt. Anfänglich weckte Charlene Wittstock, die schon seit vier Jahren in Monaco lebt, nicht nur viel Neid, sondern auch allgemeines Mitleid.

Angesichts der zahllosen Frauengeschichten Alberts, des notorischen Junggesellen und Partyprinzen, hielten sie die "Neue" nur für ein belangsloses Intermezzo. Spekulationen, die von Albert genährt wurden, weil er seiner Geliebten jahrelang ein seltsames Schattendasein im Goldenen Käfig verordnete. Doch Charlene sollte sich als unerwartet hartnäckig erwiesen. Verbirgt sich hinter der Fassade der dauerlächelnden und manchmal so zart erscheinenden Blondine in Wirklichkeit ein resoluter Kämpfertyp?

Der französische TV-Journalist und Adelsexperte Stéphane Bern, ein exzellenter Grimaldi-Kenner, jedenfalls hebt ihre mentale Stärke, den außergewöhnlichen Mut und ihre Durchsetzungsfähigkeit hervor. Tugenden, die besonders durch die jahrelange Schinderei im Schwimmbecken herausgebildet worden seien. Die Illustrierte "Paris Match" zeigt Charlene bereits in herrischer Pose und mit coolem Siegerblick auf dem aktuellen Titel: in Reiterhose und die Hände in die Hüften gestemmt.

Tatsächlich, so tuschelt man neuerdings in Monaco, sei Charlene mit strenger Hand dabei, in der Umgebung des Fürsten aufzuräumen. Nicht nur Höflinge, sondern sogar einige seiner "besten Freunde" habe sie vom "Felsen" verbannt, heißt es. Manche dieser "Charlene-Opfer" hocken - Gram erfüllt und das Auge feucht - auf der Terrasse des legendären "Café de Paris" und zeichnen - mon Dieu - die Karikatur einer giftigen "Eis-Prinzessin". "Sie ist roh und kalt", sagt eine Bekannte Alberts, und fügt hinzu: "Ich bin sehr traurig."

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