Ilja Richter über die „disco“-Jahre

Mainz (dpa) - Die „disco“-Sendungen mit Moderator Ilja Richter im ZDF waren Kult in den 70er Jahren. Nahezu alle musikalischen Größen aus den Hitparaden waren zu Gast bei dem jungen Moderator, der mit Anzug und Krawatte seine Zuschauer durch die Glitzerwelt von Pop, Rock und Schlager führte.

Zwischen den Songs nahm Richter in seinen klamaukigen Sketchen alles und jeden aufs Korn. Ein Höhepunkt des Abends war die Präsentation des Quiz-Gewinners. „Licht aus! Wooom. Spot an! Jaaa!“, rief Richter und der Glückliche saß im Scheinwerferlicht. Am 13. Februar jährt sich zum 40. Mal die erste Ausstrahlung von „disco“ - dem „Spagat zwischen Tony Marshall und Rod Stewart“, wie Richter die Sendung im dpa-Interview charakterisiert.

Herr Richter, Sie haben mitten in den wilden Zeiten des Generationenkonflikts Ihre Musiksendung „disco“ im Smoking moderiert - mit Riesenerfolg. Wie konnte das funktionieren?

Richter: „Ich hatte eine große Affinität zur altmodischen Linie mit Anzügen, Schlipsen und Schleifen. Diese Linie ergab einen Kontrast zu meinen Gästen in Batik, in Flower Power, im Disco-Glitter. Ich machte den altmodischen Präsentator, aber aufgrund meiner Jugend ergab das den besonderen Effekt: "Wie sieht denn der aus, der sieht ja aus wie aus einer anderen Zeit." Ich war aber auch frech im Rahmen meiner Möglichkeiten. Es war eben genau diese Mischung. Ich wollte vielleicht auch was ganz Simples erreichen und mit 19, 20 Jahren einfach älter wirken. Heute laufe ich längst nicht mehr so oft wie damals privat in Anzügen rum.“

Ihre Sendung wurde von den Teenagern genauso geliebt wie von vielen Eltern und Großeltern. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Richter: „Der Spagat zwischen Tony Marshall und Rod Stewart ist von mir ja irgendwie bewerkstelligt worden. Das ist für mich nur erklärbar mit einem Schuss Ironie. Der Mix aus Gunter Gabriel, Elton John, Slade, Sweet und Marianne Rosenberg - ich habe das zum konsequenten Stilbruch erhoben. Und daher wurden meine Gäste von mir kräftig parodiert.“

Sie waren ausgewählt höflich - sogar gegenüber Menschen über 30. Manche Ihrer Altersgenossen haben Sie deswegen womöglich belächelt...

Richter: „Die Redeweise gehörte zu meinem Charakter. Etwa, dass ich das Publikum gesiezt habe, aber im Plural zum Du übergegangen bin mit „Euer Ilja“. Ich wollte nicht der ständig im Plural den Leuten auf die Schulter klopfende Volksfreund sein. Ich wollte mich nicht anbiedern, ich wollte freundlich sein. Diese Art war für manche in den 70ern befremdlich, weil man wild zu sein hatte. Ich war aber nicht wild. Ich war wild auf Family-Show, da ist der Teenager inklusive.“

Nun heißt es 29 Jahre später wieder „Hallo Freunde“, zwar nicht im Fernsehen, aber bei einer „disco“-Tour auf der großen Showbühne. Wird das ein sentimentales 70er-Revival?

Richter: „Nein, ganz im Gegenteil. Eine Tour kann nicht so wie eine Fernsehsendung sein und umgekehrt. Wir werden mit den Erinnerungen an Mode, Stars, Geschmack, Musik, Gags spielen, aber ganz im Hier und Jetzt. Es wird keine Fernsehsendung in einer Halle sein, sondern eine Family-Show für die Fans ­ anlässlich 40 Jahre "disco". Es wird ein Blick zurück nach vorn. Wenn ich zurückblicke auf ein ganzes Jahrzehnt, in dem ich im Zenit meines TV-Ruhms steckte, dann tue ich das nicht unter dem Gesichtspunkt, früher war alles besser.“

Bei einigen Ihrer Kollegen scheint ja - was das Aussehen angeht ­ die Zeit still zu stehen. Welchen Ilja Richter werden die Fans erleben?

Richter: „Da kommt kein Ilja auf die Bühne und tut so, als ob er noch 20 ist, sondern da geht ein 58-jähriger Mann auf die Bühne, der sich zwar in bestimmten Bereichen wie 20 fühlt, aber nicht so tut, als ob er 20 ist. Da setzt ja oft im deutschen Schlagerwesen und Volksmusikgeschäft etwas ein, was nun mal von unfreiwilliger Komik ist.“

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