Afghanistans erste Rapperin

Soosan Feroz webte Teppiche — bis sie Musik für sich entdeckte. Nun singt sie gegen Unterdrückung, Krieg und Gewalt.

Kabul. Jeans, schwarzer Mantel, das Kopftuch locker gebunden. Frauen, die sich wie Soosan Feroz westlich kleiden, gibt es inzwischen viele in Kabul. Nicht die Klamotten, sondern ihre Musik machen die 23-Jährige zu etwas Besonderem: Sie ist die erste Rapperin in Afghanistan. Eine rappende Frau — das hat es in dem islamischen Land noch nicht gegeben. Doch die Themen, von denen Feroz in ihren Liedern erzählt, sind den afghanischen Frauen bestens bekannt.

Es geht um Missbrauch und andere Grausamkeiten, die sie während Jahrzehnten von Krieg und Gewaltherrschaft erleiden mussten. „In meinen Liedern geht es um das Leid der Frauen in meinem Land, die Qualen und Schrecken des Krieges“, sagt Feroz. Seit dem Sturz der Taliban hat sich die Situation der afghanischen Frauen zwar verbessert, viele erleben jedoch immer noch Gewalt.

Auch Feroz’ eigenes Leben ist voller bitterer Erfahrungen: Die Erinnerungen an den Krieg, Bombardements und das harte Leben in Flüchtlingslagern in Pakistan und im Iran lassen sie nicht los.

Feroz war noch ein kleines Kind, als ihre Eltern mit ihr in den 1990er Jahren vor dem Bürgerkrieg nach Pakistan flohen. Zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban 2001 kehrte sie als Teenagerin in ihre zerstörte Heimat zurück.

Feroz’ arbeitete als Teppichweberin — bis sie Rap und Hip Hop für sich entdeckte. Es faszinierte sie, dass Künstler in der ganzen Welt damit ihre Nöte zum Ausdruck bringen. „Wenn Rap ein Weg ist, über das eigene Elend zu sprechen, dann haben Afghanen viel zu sagen“, sagt Feros. Inzwischen hat sie viele Auftritte — auch einen in der US-Botschaft.

Doch nicht allen gefällt, was sie in Soosans Videos sehen und in den Liedern hören. Nach der Veröffentlichung der ersten Stücke gingen Feroz’ Onkel ihr aus dem Weg und warfen ihr vor, Schande über die Familie zu bringen. „Ich bekomme Anrufe von fremden Männern, die sagen, ich sei ein schlechtes Mädchen, und dass sie mich umbringen werden“, erzählt die Sängerin, und ihre Augen füllen sich dabei mit Tränen.

Rückhalt findet die junge Frau bei ihren Eltern. Ihre Mutter, eine Analphabetin, und ihr Vater, ein ehemaliger Beamter, halten zu ihrer Tochter und unterstützen sie. Er sei stolz, der „persönliche Sekretär“ seiner Tochter zu sein, sagt Abdul Ghafaar Feroz trotz des lautstarken Widerstands in konservativ-islamischen Kreisen. „Das kann mich nicht abschrecken“, sagt Rapperin Feroz, und ihr Vater nickt zustimmend dazu. „Irgendjemand musste ja damit anfangen. Ich bedauere nichts und werde weitermachen. Ich will die Stimme der Frauen in meinem Land sein.“

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