Alice Schwarzer: Die charmante Besserwisserin

Alice Schwarzer hat ihre Autobiografie vorgelegt. Darin ist sie erfrischend offen, aber wenig selbstkritisch.

Köln. Besonders beliebt hat sie sich in letzter Zeit nicht gerade gemacht. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Alice Schwarzer oft schlicht eine frustrierte Emanze.

Sei es während des Kachelmann-Prozesses, den sie ausgerechnet in der „Bild“-Zeitung kommentierte, seien es ihre Angriffe auf Familienministerin Kristina Schröder, der Schwarzer Inkompetenz attestiert hat, oder die auf Charlotte Roche, deren jüngsten Roman sie als „verruchte Heimatschnulze“ bezeichnete: Schwarzer geht nicht gerade zimperlich mit denen um, die anders denken als sie. Die Wahrheit, so scheint es, hat sie für sich gepachtet.

Jetzt hat Schwarzer ihre Autobiografie vorgelegt — und gibt darin ganz andere, unerwartete Seiten von sich preis. Aufgewachsen bei den Großeltern in Wuppertal, geht sie schon bald selbstständig durchs Leben.

In der Schule eckt sie an, mit 16 schließt sie die Handelsschule ab. Beruflich gelingt nichts richtig, also geht sie mit 19 nach Paris. Dort gehört sie bald zu den Pionierinnen der Frauenbewegung.

Später wird Schwarzer deren Frontfrau in Deutschland und gründet 1977 die feministische Zeitschrift „Emma“, nachdem sie von 1966 bis 1968 ein Volontariat bei der Westdeutschen Zeitung, den früheren Düsseldorfer Nachrichten, absolviert hat.

Das alles schreibt die 68-Jährige in ihrer Autobiografie „Lebenslauf“. Die umstrittene Feministin, die bisher nie Privates preisgab, beschreibt sich darin als energisch und unerschrocken. Aber auch als eine, die sich oft isoliert fühlte, wenn ihr öffentlich Häme entgegenschlug.

Die Journalistin outet sich als jemand, der Männer und Frauen liebt. Der erste Kuss galt mit 14 dem rothaarigen Volker, die große Liebe war zehn Jahre lang Bruno aus Paris. Nach zwei Jahren mit Ursula folgt ihre zweite lange Liebesbeziehung: „Mit einer Frau. Mit ihr lebe ich bis heute weitgehend mein Beziehungsideal.“

Schwarzer zeichnet von sich das Bild einer wissensdurstigen, aktiven Frau voller Tatendrang, die gerne feiert, viele Freunde hat. Ein Kontrast zu dem Image, das man Schwarzer heute gern verpasst — das der zeternden Besserwisserin und Einzelkämpferin.

Sie gehört in Paris bald zum Kreis um die Philosophin und feministische Leitfigur Simone de Beauvoir. Sie fordern gleichen Lohn für Frauen und ein Recht auf Abtreibung. Prominente Frauen starten 1971 eine Kampagne, die Schwarzer nach Deutschland importiert. Im „Stern“ bekennen 374 Frauen: „Wir haben abgetrieben“. Eine Provokation.

Als sie 1974 zurück nach Deutschland kommt, beginnt ein schwieriges Verhältnis zu anderen Vertreterinnen der aufkeimenden Frauenbewegung: „Ich habe mit Impulsen, Aktionen und Veröffentlichungen zum Aufbruch der Frauen beigetragen.“ Zugleich sei sie aber „untypisch“ gewesen.

Ihre Erinnerungen wirken offen, Selbstkritik gibt es aber kaum. Insgesamt ist Schwarzer zufrieden, betont, dass sie immer unabhängig geblieben sei. Und sie hat viel einstecken müssen: Sie sei in den 70ern zur „Zielscheibe“ geworden. Als „Männerhasserin“ wurde sie beschimpft, als sie mit ihren Kampagnen Tabus brach.

„Allerdings hat es neben allen Aggressionen auch immer sehr viel Zuneigung gegeben, von Anfang an. Sonst hätte ich das vermutlich gar nicht überlebt.“ Das Kämpfen gibt sie wohl trotzdem noch lange nicht auf. „Die Geschlechterrollen engen Frauen wie Männer ein. Beide müssen sich davon befreien“, schreibt sie auf ihrer Internetseite.

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