Berti Vogts: Entspannt in Aserbaidschan

Porträt: Berti Vogts hat sich verändert. Der verkrampfte Trainer von einst ist jetzt in der dritten Reihe des Weltfußballs locker.

Köln. In gewisser Weise trägt Garri Kasparow eine Mitverantwortung, dass aus Hans-Hubert Vogts ein ziemlich lockerer Mensch geworden ist. Kasparow, der Schachgroßmeister, hat in seiner Heimat Aserbaidschan in den 80er und 90er Jahren eine Schach-Euphorie entwickelt, die das Spiel am Brett zu des Aserbaidschaners liebster Sportart hat werden lassen. Ringen und Gewichtheben genießen ebenfalls hohe Wertschätzung, und irgendwann dann blickt das Land auch mal auf Fußball. Und mithin auf Vogts. Reine Nebensache.

Vogts steht also als Nationaltrainer Aserbaidschans - und als solcher taucht er am Dienstag in Köln beim WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland wieder auf - nicht im Rampenlicht und schon gar nicht unter übermäßigem Druck. Er kann deshalb das machen, was er schon immer am liebsten gemacht hat: Im Hintergrund wirken, statt an vorderster Front zu glänzen.

"Entwicklungsarbeit" nennt er es selbst, und wenn man sich einmal an die Anfänge des Trainers Vogts beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) in den 80er Jahren erinnert, hat er genau das auch beim DFB gemacht: Jugendkonzepte geschrieben und verantwortet.

Daran schloss sich die Karriere des Bundestrainers Vogts an, in der er trotz des Europameister-Titels von 1996 nicht immer eine glückliche Figur machte. Der Druck der Öffentlichkeit machte aus dem Mann aus Büttgen vordergründig einen oft verzagten Einzelgänger, der irgendwann aufgegeben hatte, gegen sein Image anzuarbeiten.

Ein gutes Jahrzehnt später hat Vogts von verbissen auf lustig umgeschaltet. Neulich, als ihn ein Reporter nach Fußball-Hooligans fragte, sagte er trocken: "Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle sollte man mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben." Der Mann ist seit einigen Jahren geschieden.

Er genießt jetzt seine Auftritte. Der 63-Jährige lacht dann viel, und er gefällt sich darin, die kleine Rolle seiner Mannschaft im Weltfußball noch zu überhöhen. Eine Lehrstunde erwarte er gegen Deutschland, hat er gesagt, ein 0:4 sei "ein Ziel". Und: "Im Moment ist Deutschland die beste Mannschaft der Welt."

Dass Spanien vor wenigen Wochen in Südafrika die Dinge etwas anders dargestellt hat - geschenkt. Sollte sich Aserbaidschan heute gut aus der Affäre ziehen, erführe auch Vogts neue Wertschätzung, die ihm so lange verwehrt geblieben war. Da ist es ganz geschickt, die Erwartungen gering zu halten. Er sehnt sich halt noch immer.

Aber er lebt seine Rollen mit neuem Selbstbewusstsein. Bei laufendem Spielbetrieb verbringt Vogts die Hälfte des Monats in Baku, er kritisiert Trainingsumfänge seiner Spiele, kennzeichnet den Ramadan für seine Akteure als leistungsschädigend und führt Fußball als Sport in der Schule ein. Er will aufholen, der Ehrgeiz hat ihn bei aller Lockerheit nicht verlassen, ähnlich wie in Kuwait, in Schottland und Nigeria, wo er zuvor arbeitete.

An anderen Tagen lebt Vogts in Kleinenbroich, ist dort sogar in seiner Heimatgemeinde St.Dionysius im Kirchenvorstand tätig. Göttlicher Beistand wird ihm heute gewiss nicht schaden können. Aber auch wenn es anders kommt: Vogts wird gelassen reagieren.

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