Daliah Lavi: Die fremde Schöne aus Israel

Mit 66 Jahren kehrt die Sängerin auf deutsche Bühnen zurück, um vom Publikum Abschied zu nehmen. Ihre Stimme klingt wie in den 70er-Jahren, als sie alle fasziniert hat.

Düsseldorf. Gitter vor Fenstern, Wachtürme in der Stadt. Sinnlose Grenzen, Mauern und Stacheldraht. Dort, wo der Tod beginnt, jammert im Draht der Wind. Es hört sich an, als ob Mutter Erde weint.

In vielen ihrer Lieder verwendet Daliah Lavi nicht die Sprache der Hitparaden. Trotzdem ist sie eine der erfolgreichsten Schlagersängerinnen in den frühen 70er-Jahren gewesen.

Ihre Stimme - rauchig, dunkel, mysteriös - machte sie unverwechselbar. Nach 14Jahren Bühnenabstinenz kommt die in den USA lebende Künstlerin für eine Tournee nach Deutschland, um, wie sie sagt, "Abschied zu nehmen".

Fast weiß ist inzwischen ihr früher dunkles Haar. Ansonsten sieht man der 66-Jährigen ihr Alter nicht an. Besonders die Augen funkeln lebendig wie die eines jungen Mädchens. "C’est la vie - so ist das Leben" heißt ihr aktuelles Album, auf dem sie neben fünf neuen Songs die ihr wichtigsten älteren Titel neu interpretiert hat.

Die Sängerin zieht ein Resümee ihres Lebens. Nicht bitter oder traurig klingt sie, sondern dankbar und herzlich. Dabei böte ihre Biographie Anlass, auch düster zurückzuschauen.

Geboren wurde Daliah Levenbuch 1942 in Schawei Tzion, einem kleinen Ort an der israelischen Mittelmeerküste. Der Vater war ein in Russland geborener Jude, die Mutter kam aus Breslau.

In der kleinen, genossenschaftlich organisierten Siedlung, in der Daliah mit ihrer Schwester und ihrem Bruder aufwuchs, wurde neben hebräisch hauptsächlich deutsch gesprochen. Schließlich waren die meisten Bewohner aus Deutschland geflohene Juden.

Als Siebenjährige erlebte das Mädchen den ersten arabisch-israelischen Krieg. "Ich habe junge Männer im Sand liegen sehen, Erschossene, bevor sie beerdigt wurden", erinnert sich die Sängerin. Wenig später, als Zehnjährige, lernte sie Kirk Douglas kennen.

Sie war ein kleines Mädchen, das sich in eine Hotelanlage schlich, um im edlen Swimmingpool zu baden. Er drehte gerade einen Film in Israel. Der Schauspielstar war fasziniert von ihr. Man nahm sie als "Maskottchen" mit zum Set.

Zwei Jahre später ermöglichte Douglas ihr eine Ballettausbildung in Stockholm. Diese musste Daliah aber abbrechen. Zu groß gewachsen war das Mädchen. Und dann erkrankte der Vater in der Heimat. Die inzwischen 16-Jährige kehrte zurück in ihre Heimat nach Israel.

Nach dem Tod des Vaters verdiente sie ihr Geld als Model und wurde für den Film entdeckt. Gerade 18 geworden, zog sie nach Paris, wenig später nach Rom, dann nach Hollywood und London.

Als Schauspielerin wirkte sie in etwa 25 Filmen mit, drehte mit Louis de Funès, Gert Fröbe, Peter O’Toole, Curd Jürgens, Dean Martin und Yul Brynner. Auch traf sie wieder auf Kirk Douglas, der die mittlerweile erwachsene Frau zunächst nicht wiedererkannte. Die ganz große Schauspielkarriere gelang Daliah Lavi jedoch nicht.

Stattdessen wurde das Talent der jungen Israelin als Sängerin entdeckt. Ihr erster Hit "Liebeslied jener Sommernacht" markierte den Beginn ihrer Gesangskarriere. Mit "Oh, wann kommst Du" schaffte Lavi es auf Platz 1 der deutschen Single-Charts.

Es war die Zeit, als die Revolte von 1968 im Showbusiness ankam. Nicht nur das Fernsehbild, auch die Kleidung der TV-Akteure wurde bunt. Der Staat Israel und seine Ministerpräsidentin Golda Meir genossen nach gewonnenem Sechs-Tage-Krieg in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung hohes Ansehen.

Jugendliche verbrachten, wenn sie etwas politischer waren und nicht nach Indien trampten, ihre Ferien als Erntehelfer im Kibbuz. Daliah Lavi bediente mit ihren Liedern die Sehnsucht nach Israel.

Mit langer Mähne, den dunklen großen Augen, mit erdfarbenem Batikkleid und Ketten aus Holzperlen trat sie in Dieter Thomas Hecks "Hitparade" auf und bildete mit ihren chansonhaften Liedern einen harten Kontrast zu den im Marschtakt klatschenden Schlagersängern.

Zwischen "Schwarzbraun ist die Haselnuss" und "Heute hau’n wir auf die Pauke" war die schöne Frau mit der tiefen Stimme zu hören. Sie sang deutsche Versionen internationaler Hits wie "If you could read my mind" oder "What have they done to my song".

Natürlich, es gab auch andere Interpretinnen sowohl anspruchsvoller wie populärer Schlager: Katja Ebstein, Gitte Hænning, später Juliane Werding. Aber in Daliah Lavi erkannte man immer die fremde Schöne aus Israel.

Und wie ging es der Israelin auf deutschen Bühnen? Natürlich habe sie zunächst Skrupel gehabt, im Land der Täter aufzutreten. Doch ihre Mutter, Tochter einer konvertierten Christin und eines Juden, redete ihr zu. "Ich vertraue dir", habe sie ihrem Kind gesagt.

Auf die Frage, ob sie jemals Fälle von Antisemitismus in Deutschland erlebt habe, sagte Lavi Jahre später: "Nein. Ich habe ihnen nicht das Gefühl gegeben, dass sie mich angreifen könnten. Hätten sie es versucht, hätte ich ihnen das Genick gebrochen."

Nun gastiert Daliah Lavi wieder in Deutschland. Sie sieht nicht mehr aus wie das Hippiemädchen von einst, auch nicht mehr wie die Discoqueen, die sie versuchte, in den 80er-Jahren darzustellen. Aber ihre Lieder und ihre Stimme klingen noch wie früher.

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