Der Korrekturleser des Papstes

Kein Abitur, kein Studium, dennoch ist der Postbeamte Christian Stang ein angesehener Experte für deutsche Sprache.

Regensburg. In der Schule war er Durchschnitt, er hat die Mittlere Reife — kein Diplom oder Doktortitel. Christian Stang aus Regensburg ist von Beruf Postbeamter. Aber seine Leidenschaft für die deutsche Sprache hat ihm einen größeren Titel eingebracht: Er ist einer der angesehensten Rechtschreibexperten in Deutschland.

Selbst der Heilige Vater nimmt den Rat des 37-Jährigen in Anspruch. Er korrigiert für das Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg die Schriften Joseph Ratzingers, der viele Jahre in der Domstadt als Theologie-Professor gelehrt hatte. Seitdem nennen manche Medien Stang gar den „Rechtschreibpapst“. Er selbst hört das gar nicht gern. „Schließlich bedeutet Papst für mich Unfehlbarkeit, und unfehlbar bin ich nicht.“

Als kleiner Junge hatte Stang nur eine Leidenschaft: Nicht etwa Fußballspielen oder Abenteuerbücher lesen — der Regensburger hat schon als Grundschüler seine Freizeit mit Rechtschreibung und Grammatik verbracht. Trotzdem dauerte es fast 30 Jahre, ehe er seinen Traumberuf bekam. Der 37-Jährige unterrichtet an der Universität Regensburg angehende Lehrer und Dozenten in Orthografie.

„Ich veranstalte Workshops zur deutschen Rechtschreibung“, sagt Stang. Er ist für drei Jahre von der Post an die Orthografie- und Normberatungsstelle des Zentrums für Sprache und Kommunikation abgeordnet. „Er ist das beste Beispiel dafür, dass es nicht auf Abschlüsse oder Diplome ankommen muss, sondern auf Leidenschaft und Können“, sagt Rupert Hochholzer, der an der Regensburger Uni eine Professur für Deutsch als Zweitsprache hat.

Anfang der 1980er Jahre lesen die meisten Kinder und Jugendliche Comics, oder Geschichten über Piraten oder Cowboys. Den jungen Christian interessiert das aber nicht. „Ich habe mir lieber in der Bibliothek Ratgeber über Grammatik und Rechtschreibung ausgeliehen.“ Er verliert sich regelrecht in den Zusammenhängen der Sprache, während die anderen Kinder auf der Straße spielen. Jahre später kann er aber mit seinem Wissen bei seinen Mitschülern punkten. „Ich habe ihnen bei den Bewerbungen geholfen. Da war ich richtig gefragt“, erläutert Stang.

Nach der Mittleren Reife geht der 17-Jährige zur Post und arbeitet zunächst am Schalter, ehe er Berater für Geschäftskonten wird. Nach Feierabend hält den Postobersekretär aber die Faszination Sprache weiter in ihrem Bann. Mit 18 entdeckt er in einem Rechtschreib-Ratgeber Fehler und schreibt an den Verlag. Dieser reagiert nicht pikiert, sondern bietet Stang an, bei einer Neuauflage mitzuarbeiten. Die Rechtschreibreform wird für ihn zum Glücksfall. Seitdem steht sein Name in etwa 30 Regelbüchern zur deutschen Sprache.

Normalerweise ist ein akademischer Abschluss für die redaktionelle Arbeit beim Dudenverlag Voraussetzung — nicht so beim Postbeamten Stang. „Wichtig ist die Qualität der Arbeit“, sagt der Redaktionsleiter beim Duden-Verlag, Werner Scholze-Stubenrecht. Stang habe eine Gabe, die nicht an der Universität gelehrt werde. „Er kann komplexe Sachverhalte einfach und verständlich darstellen.“

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