Elif Fischer: Sie kann sich sehen lassen

Auf Modenschauen führt Elfi Fischer Dessous für brustamputierte Frauen vor. Die Würzburgerin trägt nach einer Krebsoperation selbst eine Brustprothese.

Düsseldorf. Kokett dieses Lächeln, reizend dieser Ausschnitt. In ihrem weißen Büstenhalter beugt sich die Dame vor, lässt tief blicken und fragt: "Können Sie meine Prothese erkennen?"

Nein, wohlgeformt wirkt die Brust unter dem Spitzenstoff. Wie man es erwartet bei einem Model - auch wenn Elfi Fischer ganz besondere Mode präsentiert: Wäsche für brustamputierte Frauen. Und was das Model Fischer auf Modenschauen und in Katalogen zeigt, das muss sie selber tragen: Ihre rechte Brust wurde bei einer Krebsoperation amputiert.

"Auf den Laufsteg zu gehen, sich zu zeigen, das hat von Anfang an Spaß gemacht", erzählt Fischer. Charmant plaudert sie, ganz die selbstbewusste attraktive Dame, der man die 52 Jahre nicht ansieht. Und erst recht nicht ihr körperliches Defizit.

In einem engen bunten Sommerkleid mit schmalen Trägern und breitem Ausschnitt sitzt sie im Straßencafé, fescher Kurzhaarschnitt, bunte Sandälchen. Sie ist für ihre Firma Anita auf Tournee, zeigt Dessous und Bademoden. Ihr Foto mit dem weißen Spitzen-BH in der Fachzeitschrift "Kontakte" sei, lächelt sie, hart an der Grenze: "Die Mode soll reizvoll sein, aber nicht aufreizend, der Ausschnitt ist so knapp gearbeitet, dass Narben oder Prothesen noch verborgen bleiben."

Nicht verbergen kann Elfi Fischer die kleinen Besenreiser über dem Brustansatz: "Die sind von der Strahlentherapie, damals war man noch nicht so weit in der Medizin." Damals, das war vor zehn Jahren: "Mit 42, also mitten im Leben, habe ich einen Knoten in der Brust gefühlt."

Die Würzburgerin durchlebte die üblichen Phasen der Brustkrebs-Behandlung: Untersuchungen, Operation mit Amputation der rechten Brust, Chemo- und Strahlentherapie, Rehabilitation. Und ließ sich nicht unterkriegen: "Von der Amputation an ging’s für mich schon bergauf, ich saß strahlend auf dem Bett, ein böser Feind war weg, die erste Hürde war genommen."

Diese Energie hat Elfi Fischer immer schon vorangetrieben, war sie doch erfolgreiche Langstreckenläuferin, sogar Bayerische Meisterin im Marathon. "Aber nach der Krebsgeschichte gab’s halt nur noch Breitensport."

Sport und Familie gaben ihr Halt - und neues Selbstbewusstsein: "Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, konnte mich im Spiegel nicht ansehen", gibt Fischer zu. Doch schon bald darauf ließ sie sich von anderen Leuten ansehen: Sie bewarb sich auf eine Anzeige hin als Model bei Anita, einer Marktführerin in Sachen Spezialwäsche.

Mit Erfolg. Heute ist Elfi Fischer gefragtes Model für Spezialmode. Tritt mitunter vor über 100 Leuten auf in Hotels, Kliniken, Rehabilitationskliniken, Sanitätshäusern, bei Selbsthilfegruppen; zusätzlich gibt sie Seminare für Fachpersonal.

Die Bezeichnung Model oder Mannequin mag sie gar nicht so, meint in Anspielung auf berühmte Kolleginnen: "Die sehen furchtbar aus, da kommt nichts Natürliches rüber." Und dann lächelt Elfi Fischer: "Schon merkwürdig, manche dieser Models lassen sich die Brust vergrößern und wir sind Frauen, denen da was weggenommen wurde."

Doch wie würde sie sich selbst bezeichnen? "Ich bin einfach nur eine betroffene Frau, die anderen betroffenen Frauen Mut machen will." Das allerdings mit den professionellen Methoden der Modebranche: Raus auf den Laufsteg, unentwegt lächeln, sich drehen, elegant zurück stolzieren, sich über Beifall freuen.

Und doch sind da Unterschiede, wie Elfi Fischer erklärt: "Ich möchte nicht nur Äußerliches zeigen, das Kriterium ist nicht das Gesicht oder die Figur, sondern die Ausstrahlung, die etwas verrät von der Lebenseinstellung." Ihre Einstellung ist mutig und positiv: Früher sei sie "mehr in sich gekehrt" gewesen; seit sie als Model arbeite, gehe sie "aufrechter durchs Leben".

So ließ sich Elfi Fischer auch nicht entmutigen, als vor anderthalb Jahren Metastasen eine erneute Operation nötig machten: "Statt Reha habe ich schnell wieder als Model gearbeitet, das gibt mir so viel. Ich sehe da Frauen, die gar nicht lächeln können. Wenn ich denen ein Lächeln zeige, dann kommt meist etwas zurück."

Fischers Motto: "Ich will vermitteln und überzeugen, dass es Spaß macht, schick durchs Leben zu gehen." Schick mit Prothesen: Sie sollen nichts kaschieren, meint Elfi Fischer, sondern betroffenen Frauen helfen, "das Beste aus ihrer Situation zu machen." Da kommt die Psychologie ins Modespiel: Mit dem Gefühl, sich sehen lassen zu können, lebe man bewusster.

Darüber komme sie oft mit den Kundinnen auf den Modeschauen ins Gespräch. Denn Elfi Fischer ist ein Model zum Anfassen: "Die Kundinnen wollen den Stoff fühlen, auch die Prothese, sie fragen, wie ich das geschafft habe."

Über zwei Stunden lang bei so einer Schau die Blicke auf ihrem Körper zu spüren, ist Elfi Fischer nicht unangenehm. "Es geht ja bei allen, Models wie Kunden, um die persönliche Betroffenheit."

Und sie ergänzt: "Ganz ehrlich, das tut auch gut, man fühlt sich dann durchaus ansehnlich." Denn der Erfolg gibt dem brustamputierten Model Elfi Fischer Bestätigung: "Man ist ein bisschen stolz, fühlt sich als Frau bestätigt."

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