Gespräch mit Solinger Dokumentarfilmer: Im Kettenhemd unter Haien

Der Solinger Dokumentarfilmer Sigurd Tesche über die Gefahren unter Wasser und den Amazonas im Bergischen.

Solingen. "Meine Frau sagt immer: ,Übertreib es nicht!’, aber das erzählt sie mir ja seit Jahren", sagt Sigurd Tesche und lächelt. Von ungefähr kommt ihre Bitte nicht. Schließlich geht der 68-Jährige zur Arbeit nicht ins Büro, sondern taucht irgendwo in den sieben Weltmeeren ab.

Der Unterwasserfilmer aus Solingen hat mit Walen, Kraken und immer wieder mit Haien gedreht. 51 seiner gut 700 Filme befassen sich mit diesem Mythos der Meere. Am Montag zeigt die ARD den 52. - Sigurd Tesches Dokumentation über die alles verschlingenden Tigerhaie.

In Haan ist er geboren, in Wuppertal hat er zwei Jahre Design studiert und eine Lehre zum Fotografenmeister gemacht. Doch da hatte ihn das Tauchvirus längst infiziert. Denn nachdem er einen Vortrag des Tauchfilm-Pioniers Hans Hass gesehen hatte, wollte der junge Tesche das alles mit eigenen Augen sehen. "Das Tauchen war damals ein Harakiri-Sport", sagt er über die Anfänge in den 60er Jahren. Denn manche Atmungsgeräte seien nicht tiefentauglich gewesen und hätten 40 Meter unter Wasser einfach gestreikt.

Heute ist die Technik ungleich sicherer und komfortabler, doch risikoarm ist ein Tauchgang mit Haien natürlich nicht. Wenn dann noch wie in Südafrika eine starke Strömung dazukommt, geht Tesche mit seinen Kamerateams ein ganzes Stück entfernt von den Tieren ins Wasser und lässt sich auf das Rudel zutreiben. Dabei halten sich die Taucher nah am Grund, denn Haie greifen immer von unten an.

Als Zuschauer überkommt einen Beklemmung, wenn man die Taucher direkt neben den kreisenden Raubfischen sieht. Doch Tesche wiegelt ab: "In einen Pulk von Haien gehe ich ja nicht unmittelbar hinein. Und nach vorn ist man durch die Kamera einigermaßen abgesichert."

Je nach Tauchrevier trägt der Solinger Stahlhandschuhe, ein Kettenhemd und eine Stahlkappe auf dem Kopf. Erstaunlich wenige Unfälle hat Sigurd Tesche in mehr als vier Jahrzehnten gehabt. Da war mal diese Meerwespe in Australien, eine hochgiftige Qualle, die ihn beim Aussteigen am offenen Reißverschluss erwischt hatte.

"Dann fuhren wir mit Vollgas ans Ufer zurück, damit ich schnell das Gegenmittel bekam." Ein anderes Mal hatte er sich am Gebissrand eines Hais den Arm aufgerissen und nur noch zugesehen, dass er sofort aus dem Wasser kam. Denn frisches Blut lockt Haie blitzschnell an.

Stärker treiben ihn aber die Gefahren um, die den Meeren selbst durch Erwärmung und Überdüngung drohen. Tesche sieht die Vorboten großer Algenplagen, denn tropische Vertreter sind bereits eingewandert: "Sie sehen schön leuchtend grün aus, doch sie bedecken den Boden und ersticken alles. Es müsste die Öffentlichkeit viel mehr interessieren, welche Ressourcen da gefährdet sind."

Der Solinger weiß aber auch: "Wir haben mit unseren Filmen den Tauchtourismus gefördert. Insofern trage ich selbst auch Schuld daran, wenn die Unterwasserwelt geschädigt wird." Möglicherweise begeistert ihn an seinem jüngsten Projekt deshalb auch das Happy-End. Mit seiner Tochter Natali dreht der 68-Jährige einen Film über die Wupper, die 1950 für ökologisch tot erklärt worden war und heute wieder Tieren vom Aal bis zum Zander einen Lebensraum bietet.

Die Weltmeere haben Tesche aber nie dauerhaft aus Solingen fortlocken können. Und die Heimatverbundenheit des Kulturpreisträgers der Stadt wächst: "Je älter ich werde, desto mehr zieht es mich ins Bergische zurück."

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