Höhenflug auf Englisch

Franz-Josef Paefgen - vor sechs Jahren musste der Rheinländer den Chefposten bei Audi räumen und den angeschlagenen Autobauer Bentley übernehmen. Es wurde eine Erfolgsgeschichte.

Der startende Zwölfzylinder-Biturbo-Motor mit rund 600 PS lässt das silberfarbene Coupé leicht vibrieren. Selbst im mondänen Hamburg bleiben Passanten stehen und schauen dem Bentley Continental GT Speed auf seiner Präsentationsfahrt für die Medien neugierig hinterher.

Der Innenraum des Luxus-Spielzeugs für mehr als 200000Euro ist erfüllt vom Geruch des Leders, fast alles ist mit der dunkelbraunen Kuhhaut verkleidet. Rund um Tacho, Ganghebel und Handschuhfach schimmern außerdem Wurzelholz und Aluminium. Dieser röhrende, duftende, glänzende Mikrokosmos ist die Welt von Franz-Josef Paefgen.

"Es ist noch immer etwas Besonderes für mich, morgens in einen Bentley zu steigen", sagt der Mann, der für die Herstellung der weltberühmten Nobelkarossen verantwortlich ist. Andererseits gewöhne sich der Mensch auch sehr schnell an Neues - gemeint ist wohl: an Luxus.

Einige Tage nach der Hamburger Probefahrt hat der 61-jährige Rheinländer in sein Arbeitszimmer gebeten. Seit 2002 sitzt Paefgen auf dem Chefsessel in Crewe bei Manchester, der Heimat des britischen Traditionsunternehmens, das seit rund zehn Jahren zum Volkswagen-Konzern gehört.

Mit seinen Richtung Nacken gekämmten, angegrauten dunklen Haaren und den roten Wangen könnte der Mann im Anzug auch als bestens situierter englischer Landadliger durchgehen - und damit als potenzieller Bentley-Kunde.

Doch der promovierte Maschinenbauer und Ex-Audi-Vorstandsvorsitzende legt Wert darauf, dass es zwischen Verkäufer und Käufer einen großen Unterschied gibt und wählt zur Erklärung lächelnd seinen Lieblingssatz: "Wir sind ein armes Unternehmen mit reichen Händlern und noch wohlhabenderen Kunden." Seine ernst gemeinte Aussage hinter dem Spruch könnte so lauten: Meine Mitarbeiter und ich wissen, wo unser Platz ist, auch wenn wir täglich mit den reichsten und berühmtesten Menschen des Planeten zu tun haben. Managergehälter in der Auto-Branche hin oder her - man sieht sich finanziell einfach nicht auf Augenhöhe mit der illustren Kundschaft.

Die Namen der Käufer sind offiziell nicht zu erfahren, bei der Marke mit dem geflügelten "B" ist Diskretion oberstes Gebot. Doch wer ein wenig forscht, stößt schnell auf Menschen wie David Beckham, Elton John oder Paris Hilton, auf Scheichs, Großunternehmer und gut betuchte Erben.

Unglaubliche Geschichten kursieren, etwa von einem Inder, der das Dach seines Bentleys höher setzen ließ - wegen des Turbans. Oder von einem Millionär, der den Lieblingsnagellack seiner Frau als Vorlage für die Wagenfarbe in Crewe vorbeibrachte. Bentley-Boss Paefgen erzählt die Anekdote von einem Amerikaner, der eine Hifi-Anlage für 50000 Dollar einbauen ließ.

Aus ihrer prominentesten Kundin macht die Firma allerdings keinen Hehl: Groß und gerahmt hängt ein Foto in Paefgens Büro, das ihn zusammen mit Elisabeth II. zeigt. Zu ihrem goldenen Thronjubiläum hatte der Autobauer der Queen eine Spezialanfertigung für herrschaftliche Ausfahrten übergeben.

"Mir wurde vorher erklärt, wie ich mich zu benehmen habe", sagt Paefgen noch immer amüsiert. Fragen an Ihre Majestät seien streng verboten gewesen. "Ich habe ihr aus Neugier trotzdem eine gestellt, die sie geflissentlich überhörte." Seine Körperhaltung wird entspannter bei dieser hübschen kleinen Geschichte. Er lehnt sich im Sessel zurück, streckt die Beine aus.

Auf der vermutlich letzten Station seiner Karriere kann der Mann, dessen Vater einen kleinen Kfz-Betrieb in Neuss führte, beachtliche Erfolge vorweisen. Als er Bentley übernahm, gab es wenig mehr als den großen Namen des 1919 gegründeten Unternehmens. Die Produktion war veraltet, die Zahlen rot, das Image mächtig angekratzt.

Fünf Jahre später wird mit rund 10000 Fahrzeugen pro Jahr ein Rekord erreicht. Mitarbeiter an der legendären Pyms Lane schildern das deutsch-britische Verhältnis mit Lobeshymnen auf "Doctor Paffgen" und den Konzern in "Wulfsbörg" - aus der niedersächsischen Autostadt sind inzwischen hunderte Millionen Euro über den Ärmelkanal geflossen.

Zunächst muss der unfreiwillige Wechsel von Oberbayern nach Mittelengland für den Audi-Mann aber ein persönliches Fiasko gewesen sein. Der VW-Patriarch Ferdinand Piëch hatte ihn von dem Chefposten in Ingolstadt vertrieben, was in der Fachwelt zum Teil auf großes Unverständnis stieß. Öffentlich reden möchte Paefgen über diesen Karriere-Knick nicht. Mittlerweile aber scheint er mit seinem Los ganz zufrieden.

"Ich bin glücklich mit dem Erreichten, denn ich habe an so gut wie allem mitgearbeitet, was auf vier Rädern fährt: vom Drei-Liter-Auto bei Audi bis zum 1001-PS-Bugatti" - ganz nebenbei ist Paefgen nämlich auch Präsident der VW-Supersportwagen-Schmiede, hat die Marke von 400 km/h nach eigenen Angaben selbst schon geknackt. "Aber normalerweise fahre ich nicht so schnell, ich gleite lieber."

Herr Paefgen, was ist Ihre größte Stärke, was Ihre größte Schwäche?

Was bringt Sie in Rage?

Unnötiges Warten

Ehrlichkeit

Spaghetti aglio olio molto piccante

Italien, Gardasee

Thomas Mann: Joseph und seine Brüder

Für meinen Lamborghini 400 GT

Mit meiner Frau im offenen Bentley durch Italien zu fahren

Tue recht und scheue niemand

Franz-Josef Paefgen wurde am 10.Mai 1946 in Büttgen am Niederrhein geboren. Ab 1967 studierte er Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Karlsruhe und der RWTH in Aachen. Anschließend promovierte er und begann 1976 bei Ford in Köln. 1980 wechselte Paefgen zu Audi. Dort wurde er 1995 in den Vorstand berufen. Von März 1998 bis Februar 2002 war der Rheinländer Audi-Chef. Seit März 2002 ist er Chairman und Chief Executive Officer (CEO) beim Autobauer Bentley. Paefgen ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er wohnt im englischen Crewe und im bayerischen Ingolstadt. Sein größtes Hobby sind Oldtimer. Wenn es der Terminkalender erlaubt, nimmt der Bentley-Chef aktiv am jährlichen Neusser Schützenfest teil.

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