Interview: Beim Komiker Bülent Ceylan wird (fast) keiner verschont

Der Deutsch-Türke und bekennende Mannheimer über deutsche Schnitzel, türkisches Temperament, Diskriminierung in der Verwandtschaft und den Unterschied zwischen Bühne und Fernsehen.

Berlin. Deutsche, Türken oder Deutschtürken: Bei Bülent Ceylan bekommen alle ihr Fett weg — und das Publikum kommt voll auf seine Kosten.

Mit frechen Sprüchen und hinreißenden Kunstfiguren wie dem badischen Hausmeister Mompfred oder dem türkischen Macho Hasan füllt der für den diesjährigen Grimme-Preis nominierte 36-Jährige aus Mannheim ganze Hallen und lockt seine zahlreichen Fans vor den Bildschirm. Auch in den neuen Folgen von „Die Bülent Ceylan Show“ (ab Samstag, 10.3., 22.15 Uhr, RTL) lässt es der Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters wieder krachen und schert sich keinen Deut um Political Correctness.

Natürlich kommen Mompfred, Hasan und all die anderen schrägen Gestalten aus dem skurrilen Figurenkosmos des deutsch-türkischen Komikers zu Wort, es gibt Parodien auf Film- und Werbespots, nicht zuletzt hat sich Bülent Ceylan auch Freunde und Kollegen wie den Popsänger Xavier Naidoo, das Comedyduo „Badesalz“ oder den Comedian Kaya Yanar eingeladen. Bülent Ceylan steht seit rund 15 Jahren auf der Bühne und lebt in seinem Geburtsort Mannheim.

Frage: Herr Ceylan, Sie veralbern türkische Machos, deutsche Spießer und Mannheimer Hausmeister. Haben diese Figuren, die Sie mit viel Herzblut spielen, reale Vorbilder?
Bülent Ceylan: Natürlich, ich habe immer gerne andere Menschen beobachtet und schon als Kind und Jugendlicher Prominente aus dem Fernsehen wie Boris Becker oder Helmut Kohl imitiert. Irgendwann habe ich dann eigene Typen entwickelt. Dass ich die allerdings mal in großen Hallen vor Tausenden Leuten verkörpern würde, hätte ich nie gedacht. Am 6. Juni zum Beispiel habe ich einen Auftritt in der Commerzbank-Arena in Frankfurt, für den wir schon mehr als 30.000 Karten verkauft haben — das ist ganz schön krass.

Frage: Machen Stadionauftritte mehr Spaß als Studioproduktionen?
Bülent Ceylan:
Auf Tour zu gehen ist immer geil, man lebt dann in einem ganz eigenen Rhythmus. Die Arbeit im Fernsehstudio macht zwar auch Spaß, ist aber aufwändiger und auch anstrengender: Man steht morgens um sechs auf und dreht bis in den Abend rein, und dabei kommen dann vielleicht zwei Sketche raus. Liveauftritte vor Publikum sind dagegen reiner Rock ’n’ Roll. Ich bin schon eine Rampensau.

Frage: Sie sind als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters aufgewachsen — wenn man so will in einem multikulturellen Spannungsfeld, auf dem viele Ihrer Gags basieren. War’s denn zu Hause wirklich immer so lustig?
Bülent Ceylan: Keineswegs, aber genau das verarbeite ich ja in meinem Programm. Als ich 1976 in Mannheim zur Welt kam, schon damals mit voller schwarzer Haarpracht, meinte eine entfernte Verwandte meiner Mutter: „Ja, die Hilde, die hat einen Schwarzen bekommen.“ Das war natürlich diskriminierend gemeint von der lieben Tante, zu der wir übrigens keinen Kontakt mehr haben. Es gab aber nicht nur auf deutscher Seite, sondern auch bei der türkischen Verwandtschaft Vorbehalte — da hat sich auch der ein oder andere meinen Vater zur Brust genommen und gefragt, warum er eine deutsche und keine türkische Frau geheiratet hat. Mittlerweile sind meine Eltern seit 40 Jahren glücklich verheiratet — ein besseres Beispiel für gelungene Integration gibt es gar nicht.

Frage: Wie viel Türke und wie viel Deutscher steckt in Ihnen?
Bülent Ceylan:
Im Ausland bin ich mehr Deutscher, wenn ich zum Beispiel in Frankreich ein gescheites Schnitzel will und nur so einen kleinen Happen vorgesetzt bekomme. Da bin ich durch und durch deutsch, ich will ein großes Schnitzel, das über den Teller lappt und fast bis zum Tischnachbarn rüberreicht. Egal, ob’s schmeckt oder nicht: Hauptsache groß und billig (lacht). Den Türken in mir entdecke ich immer dann, wenn das Temperament mal wieder hochkocht — das habe ich eindeutig von meinem Vater.

Frage: Die angeblichen Unterschiede zwischen Deutschen und Türken sind jedem geläufig. Gibt’s denn auch Gemeinsamkeiten?
Bülent Ceylan: Aber natürlich, die Türken haben zum Beispiel genau wie die Deutschen einen fatalen Hang zur Depression. Wenn irgendwas schief läuft, wird gejammert und geheult und dann sogar noch eins draufgesetzt mit der wunderbar melancholischen türkischen Musik — erst wenn’s nicht mehr weiter runtergeht, wird wieder Bauchtanzmusik aufgelegt (lacht).

Frage: Bei Ihnen bekommen Minderheiten und Mehrheiten ihr Fett weg, um politische Korrektheit scheren Sie sich weniger. Ist es für einen Komiker heute leichter, frech zu sein, als früher?
Bülent Ceylan:
Auf jeden Fall, da hat sich in den vergangenen Jahren einiges geändert. Wenn ich zum Beispiel heute einen Hitler-Witz mache, dann lacht das Publikum viel freier darüber als früher. Da hat sich in Deutschland doch eine ganze Menge getan, glaube ich.

Frage: Gibt es für Komiker heutzutage überhaupt noch Tabus?
Bülent Ceylan:
Für mich schon, ich mache mich nicht über Behinderte oder kranke Menschen lustig.

Frage: Aber über Mannheimer.
Bülent Ceylan:
Klar, aber das darf ich als Mannheimer ja auch, meine Wurzeln sind mir wichtig. Grundsätzlich gilt: Es wird keiner verschont.

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