Interview: Patrice - Grenzgänger zwischen den Welten

Seine Musik lässt sich in keine Schublade stecken. Der Reggae-Sänger Patrice (31) erfindet sich immer neu.

Düsseldorf. WZ: Patrice, Gratulation. Du bist gerade Vater geworden.

Patrice: Genau. Ich war gerade in Frankreich, und auf einmal bekomme ich einen Anruf aus dem Krankenwagen. Dann habe ich natürlich alles stehen und liegen gelassen. Die Kleine kam sechs Wochen zu früh. Aber es ist alles gut gegangen. Sie heißt Billy-Ives, schnell gesprochen Believe.

WZ: Hast du jetzt überhaupt Lust, zu arbeiten?

Patrice: Mein Herz ist bei meiner Tochter, aber man kann sich den Zeitpunkt nicht aussuchen. Ich bin jetzt allein unterwegs, meine Familie führt ihr eigenes Leben in Paris fort. Mein Sohn geht da in den deutschen Kindergarten. Aber ich freue mich schon auf die Tour, die neuen Lieder zu spielen.

WZ: Dein Album heißt "One" - was bedeutet der Titel?

Patrice: One steht für alles, was mit eins anfängt: Einheit, Einzigartigkeit, Unikat - Einheit aus allem, was ich liebe.

WZ: Wie würdest Du die Musik beschreiben?

Patrice: Die meisten Leute haben Probleme, das Album einzuordnen, es polarisiert sehr. Ich nenne es Future-Retro-Reggae-Soul. Aber ich will nichts vorwegnehmen, das muss jeder selbst entscheiden.

WZ: Warum denkst Du, polarisiert deine Musik?

Patrice: Ich weiß es nicht. Die Leute müssen sich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass jedes Album anders klingt, dass ich mich jedesmal neu erfinde, um mir selbst treu zu bleiben. Es ist nicht gut, in Routine zu verfallen. Ein Album ist Selbstverwirklichung, man geht durch Metamorphosen, und das drücke ich aus.

WZ: Was inspiriert Dich?

Patrice: Situationen und Erfahrungen im Leben. Liebe, starke Gefühle, Melancholie, Alleinsein. Ich bin ein Mensch, der mit seinem Blick auf die Welt schaut, in meiner Eigenheit.

WZ: Du hast Abitur auf dem Elite-Internat Schloss Salem gemacht. Was hättest du gemacht, wenn du nicht Musiker geworden wärst?

Patrice: Meine Mutter wollte, dass ich studiere, aber ich war direkt nach dem Abi relativ erfolgreich als Musiker. Meine Mutter war einmal bei einem Festival in Paris und hatte keine Ahnung, welche Dimension das hat. Die Leute riefen meinen Namen, und da sagte sie: "Geh schnell raus, bevor die aufhören." Sie war während des ganzen Konzerts hinter der Bühne und hat dann verstanden, dass ich eine Zukunft als Musiker habe. Wenn das aber nix geworden wäre, hätte ich wohl studiert, Literatur oder Philosophie.

WZ: Du hast einen deutschen Pass und einen aus Sierra Leone. Was sagst du zur aktuellen Integrationsdebatte?

Patrice: Sarazzin hat auf jeden fall das Hip-Hop-Gen vergessen. Im Ernst: Leute, die mich sehen, erkennen jemanden, der ihrem Vorurteil nicht entspricht, und deshalb müssen sie ihre Sichtweise überdenken. Das ist gut.

WZ: Fühlst Du dich denn deutsch?

Patrice: Ich fühle mich so deutsch wie die Nationalmannschaft deutsch ist.

WZ: Die Tour geht jetzt los. Bist Du nach so vielen Jahren im Geschäft noch aufgeregt?

Patrice: Ich habe eine neue Band und an der Technik rumgeschraubt - das wird eine tolle Tour. Aufgeregt bin ich vor allem, wenn Leute bei kleinen Gigs ganz nah sind. Bei großen Konzerten bin ich entspannter. Aber ich gehe immer ohne Plan auf die Bühne - das gibt mir einen Nervenkitzel.

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