Juden bei Olympia 1936: „Wir wurden behandelt wie Dreck“

Die deutsche Jüdin Gretel Bergmann war 1936 eine Favoritin auf olympisches Gold. Die Nazis verhinderten das.

Düsseldorf. Vermutlich war sie 1936 die beste Hochspringerin der Welt. Programmiert auf Gold. „Nie kann ich die Hand zum Hitler-Gruß heben. Was tue ich nur, wenn ich gewinne?“, fragt sich Gretel Bergmann. Wenige Wochen vor Olympia in Berlin. Wenige Tage vor der Eröffnungsfeier wird die Jüdin Gretel Bergmann aus der deutschen Mannschaft ausgeschlossen.

Ihre Leistungen seien „nicht ausreichend“, teilt ihr Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten lapidar mit. Heute ist sie 97 Jahre alt, lebt in New York und lächelt aus einem wunderschönen altersweisen Gesicht: „Wir wurden behandelt wie Dreck. Unsere besten Freunde haben uns auf der Straße auf einmal nicht mehr erkannt.“

Ihr Ziel war der Olympiasieg. „Gold, nichts anderes wäre es gewesen, ich wollte den Deutschen und der Welt beweisen, dass Juden nicht diese schrecklichen Menschen waren, nicht so fett, hässlich, widerlich, wie sie uns darstellten. Ich wollte zeigen, dass ein jüdisches Mädchen die Deutschen besiegen kann, vor 200 000 Menschen“, erzählt Gretel Bergmann.

Vor ihrem Ausschluss hatte sie mit 1,60 Metern den deutschen Rekord eingestellt. In Berlin gewinnt die Ungarin Ibolya Czak olympisches Gold mit 1,60 Metern. „Eine Jüdin“, sagt Gretel Bergmann. Elfriede Kaun gewinnt Silber, Dora Ratjen, für Bergmann in die Mannschaft gerückt, wird Vierte und später disqualifiziert, als sich herausstellt, dass Dora ein Mann war.

Weil ihr Vater das Terrorregime früh ahnt, bringt er seine Tochter Gretel weit vor den Nazi-Spielen aus der Heimat zum Studium nach England. Die Nationalsozialisten holen sie nur zurück, weil die USA wegen der Judenhetze in Deutschland mit dem Boykott der Spiele drohten. „Ich war nur ein Lockvogel. Ich wusste, sie würden mich nicht starten lassen“, erzählt Gretel Bergmann. Sie kam trotzdem nach Deutschland zum Training. Als die US-Mannschaft per Schiff nach Europa unterwegs ist, erfolgt ihr Ausschluss. Man bietet der deutschen Rekordhalterin und Olympiafavoritin ersatzweise eine Stehplatzkarte im Olympiastadion an. Der Mannschaft erzählen die Nazis, sie sei verletzt.

Gretel Bergmann geht nach Amerika mit ihrem späteren Mann Bruno Lambert, einem Weitspringer und Mediziner. Seit 70 Jahren sind die beiden nun verheiratet. 1939 beginnt der Krieg, Gretel Bergmann gibt den Leistungssport endgültig auf und beschließt, nie mehr nach Deutschland zurückzukehren, nie mehr ein deutsches Wort zu sprechen. „Ein Land, das ich so geliebt habe, erwiderte meine Liebe mit Hass, Hass auf mich und das ganze jüdische Volk. Und ich verzehrte mich im Hass auf alles Deutsche.“

Erst 1999 ist Margaret Bergmann-Lambert das erste Mal wieder in Deutschland. „Weil ich begriffen habe, dass ich die jungen Menschen in diesem Land nicht ewig dafür hassen kann, was sie nicht getan haben.“ Der neue Film über sie kommt im September in die Kinos. „Es ist ein schöner Film geworden“, erzählt sie. Karoline Herfurth spielt die Bergmann, Kaspar Heidelbach führt Regie. „Ich mag diesen Film“, erzählt Gretel Bergmann, „er soll zeigen, dass so etwas wie damals in Deutschland nie wieder passieren darf“.

„Wenn die Olympiade vorbei, schlagt die Juden zu Brei“, brüllte der braune Mob 1936 in den Straßen von Berlin.

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