Kosmonaut Sigmund Jähn: Der Held, der keiner sein wollte

Sigmund Jähn war der erste Deutsche im All. Im Osten wird er noch verehrt, der Westen kennt ihn kaum.

Berlin. Seine Anhänger empfangen Sigmund Jähn in Berlin bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte wie einen Popstar: Mehr als 30 Jahre nach seinem historischen Flug ist der Kosmonaut im Osten Deutschlands unvergessen.

Vielen Westdeutschen sagt sein Name hingegen wenig. Am Montag wird der erste Deutsche im All 75 Jahre alt.

Am 26. August 1978 war Jähn gemeinsam mit dem sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski mit einer Rakete vom Typ Sojus 31 ins All gestartet. Die beiden umkreisten 125 Mal die Erde und führten an Bord zahlreiche wissenschaftliche Experimente durch. Am 3. September kehrten sie zur Erde zurück.

Die SED feierte den knapp achttägigen Flug als Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus und baute Jähn zu einer nationalen Identifikationsfigur auf. Sein Gesicht zierte eine Gedenkmünze, Briefmarken und Plakate.

Das Fernsehen zeigte Sondersendungen. Trotz des Trubels um seine Person, betonte der Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee (NVA) schon damals, er fühle sich nicht als „Held der Sowjetunion“.

Das Interesse an ihm ist besonders in den östlichen Bundesländern bis heute ungebrochen: Vor einem öffentlichen Auftritt in Berlin-Köpenick im Januar standen seine Fans Schlange am ausverkauften Kino Union.

Unterm Arm Jugendweihe-Geschenkbücher mit Jähns Foto und alte Ausgaben der Zeitung „Neues Deutschland“.

Er sei damals von der Landung „durchaus beeindruckt“ gewesen. Denn seine Raumkapsel überschlug sich mehrmals, und der Kosmonaut erlitt eine bleibende Verletzung an der Wirbelsäule — was die SED verschwieg.

Während des Auftrittes äußerte sich der Vater von zwei Töchtern eher bodenständig. Es stoße ihn ab, wenn öffentlich nachgedacht werde, auf welche Planeten die Menschheit auswandern könne. „Wir sollten die Erde lieber für kommende Generationen bewohnbar halten.“

Nach der Wende war Jähn als Berater für die europäische Raumfahrtorganisation ESA und das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) tätig. Er bildete ab 1992 deutsche und europäische Astronauten im sowjetischen Schulungszentrum „Sternenstädtchen“ nahe Moskau aus.

Unter ihnen waren auch die Deutschen Thomas Reiter und Reinhold Ewald. Heute lebt Jähn mit seiner Frau in Strausberg bei Berlin und hat eine Datsche im Vogtland.

Da die Bundeswehr nach dem Mauerfall Jähn und andere NVA-Offiziere nicht weiterbeschäftigen wollte, vermittelte der westdeutsche Astronaut Ulf Merbold Jähn den Kontakt zum DLR.

Der Sprecher des Zentrums, Andreas Schütz, nannte Jähn die „Schlüsselfigur“ für die Zusammenarbeit mit Moskau. „Die Russen brachten ihm eine unglaubliche Hochachtung entgegen — als Astronaut und als Mensch.

Ohne Jähn wäre alles um ein Vielfaches schwerer gewesen.“ Ob Jähn noch mal ins All fliegen würde? „Sofort!“ Vor allem die Erfahrung der Schwerelosigkeit und der Blick auf die Erde hätten ihn beeindruckt.

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