Matthias Brandt: Von bestechender Qualität

Nach etlichen Jahren am Theater gehört der jüngste Sohn von Willy Brandt heute zu den besten Film- und Fernseh-Schauspielern des Landes. Pilcher-Rollen mag er nicht.

Lange Jahre gehörte er zu den meistbeschäftigten Theaterschauspielern im deutschsprachigen Raum. Doch das viel zitierte Millionenpublikum wurde erst auf ihn aufmerksam, als er vor der Kamera den Mann verkörperte, der die Karriere seines Vaters im realen Leben beendet hatte. In dem TV-Zweiteiler "Im Schatten der Macht" (2003) brillierte Matthias Brandt in der Rolle des Kanzleramt-Spions Günter Guillaume - seitdem ist der jüngste der drei Söhne von Rut und Willy Brandt in der hiesigen Film- und Fernsehlandschaft eine feste Größe.

In den vergangenen fünf Jahren war er in knapp 30 Produktionen zu sehen, und ein Ende der Dauerbeschäftigung ist nicht in Sicht. Derzeit werden gleich mehrere Filme gedreht oder nachproduziert, so dass der Kinostart des Ehedramas "Gegenüber" am 11. Oktober kaum gesondert erwähnt werden müsste. Wäre da nicht (wie fast immer, wenn Matthias Brandt auf Leinwänden und Fernsehschirmen auftaucht) diese seltene, bestechende und nie aufgesetzte Qualität - des Drehbuchs, der filmischen Umsetzung und der schauspielerischen Darbietung.

Die oft irritierende Intensität, mit der Brandt seine Figuren ausstattet, hat sich der Schauspieler hart erarbeitet. Nach eigenem Bekunden kam er nie in Versuchung, in die Fußstapfen des berühmten Vaters zu treten. Das Verhältnis zum oft unnahbaren Bundeskanzler blieb freundlich, aber distanziert - selbst in dem Jahr, als Willy Brandt über seinen als DDR-Spion enttarnten Berater Guillaume stolperte. "In meinem Kosmos war 1974 der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft wichtig, nicht der Rücktritt", gab Brandt, heute selbst Vater einer Tochter, später zu Protokoll.

Für alle, die vom Sohn des Bundeskanzlers eine politische Karriere erwarteten, sei er "eine grobe Enttäuschung" gewesen. Brandt junior, der am 7. Oktober 1961 in Berlin zur Welt kam, besuchte stattdessen die Hochschule für Musik und Theater in Hannover, was der Vater "ohne Kommentar" zur Kenntnis nahm. Nur ein einziges Mal besuchte er später eine Vorstellung seines Zöglings.

Andere kamen häufiger und begeisterten sich zunehmend für den wandlungsfähigen Darsteller. Matthias Brandt war in den späten 80er und 90er Jahren Ensemblemitglied am Staatstheater Oldenburg, in Krefeld, Wiesbaden und Karlsruhe. Was er von der sprichwörtlichen "Pike" auf gelernt hatte, war bald darauf auch im Bayerischen Staatsschauspiel, im Nationaltheater Mannheim oder in den Schauspielhäusern von Bochum und Zürich zu sehen.

Brandt spielte hier klassische und moderne Rollen mit zunehmender Perfektion und Ausstrahlungskraft - den "Gedankenfreiheit" fordernden Marquis von Posa in Friedrich Schillers "Don Carlos", Molières boshaften "Menschenfeind", aber auch den jungen Adolf Hitler in "Mein Kampf", einer brillanten Farce des kürzlich verstorbenen George Tabori.

Obwohl Matthias Brandt in der Komödie "Ein Prachtexemplar" schon 1989 sein TV-Debüt gab, blieben Film- und Fernsehauftritte lange Zeit Nebensache. "Man ist da hingegangen und war fasziniert davon, dass man für zwei Tage Komische-Sätze-Sagen soviel Geld kriegt wie für einen Monat Theaterspielen."

Nach der Erfolgsproduktion "Im Schatten der Macht" ließ ihn die Faszination jedoch offenbar nicht mehr los. Brandt glänzte in allen Formaten, Rollen und Genres und erwies sich in Liebeskomödien - "Mr. und Mrs. Right" (2004) - als ebenso verwendungsfähig wie in aufrüttelnden Stasi-Dramen - "Der Stich des Skorpion" (2004) - oder spannenden Justizthrillern - "In Sachen Kaminski" (2005).

Der Regisseur Friedemann Fromm verpflichtete Brandt also keineswegs zufällig für eines der aufwendigsten Projekte der jüngeren Fernsehgeschichte. Der Dreiteiler "Die Wölfe", der dem ZDF sechs Millionen Euro wert ist, soll auf der Basis von authentischem Filmmaterial wichtige Passagen der deutschen Nachkriegszeit dokumentieren. Seit Ende September wird in Berlin gedreht, ein Sendetermin steht derzeit noch nicht fest.

Spekulation Journalisten versuchen sich nicht selten als Hobbypsychologen. Kein Wunder also, dass landauf landab spekuliert wurde, Matthias Brandt habe sein nicht immer einfaches Verhältnis zum väterlichen Bundeskanzler aufarbeiten wollen, als er sich für den Film "Im Schatten der Macht" ausgerechnet um die Rolle des DDR-Spions Günter Guillaume bewarb. Der "stern" sprach gar von einem "verspäteten Vatermord". Brandt widersprach dem. Die persönliche Auseinandersetzung habe er bereits hinter sich gebracht, außerdem sei die Schauspielerei für therapeutische Zwecke ungeeignet. Das Thema ließ ihn aber nicht los. 2005 trat er in einem Dokumentarfilm an der Seite von Guillaumes Sohn Pierre Boom auf, um der gemeinsamen Spur ihrer "Schattenväter" zu folgen.

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