Millvina Dean: Das Gedächtnis der Titanic ist tot

Am Sonntag starb Millvina Dean im Alter von 97 Jahren. Sie war die letzte Überlebende des Schiffsunglücks von 1912.

London. Zu einem "Star" wurde Millvina Dean erst vor knapp 25 Jahren. 1985 wurde das Wrack der "Titanic" gefunden - und plötzlich interessierte sich die ganze Welt für die Überlebenden der Katastrophe vom 15. April 1912. Am Sonntag ist Dean im Alter von 97 Jahren in einem südenglischen Pflegeheim gestorben. Sie war die letzte Lebende der 711 Geretteten.

Dean war gerade acht Wochen alt, als der Luxusdampfer 1912 zu seiner verhängnisvollen Jungfernfahrt nach New York aufbrach. Ihre Familie gehörte zu den Dritte-Klasse-Passagieren. Eigentlich sollte die Fahrt in die USA für sie der Aufbruch in ein neues Leben werden. Die Deans hatten in London in eher ärmlichen Verhältnissen gelebt und wollten auswandern.

Vater Bertram (27) plante, in Kansas ein Tabakgeschäft zu eröffnen. Ursprünglich hatten Deans Eltern die Überfahrt für sich, Baby Millvina und ihren einjährigen Bruder für ein anderes Schiff gebucht. Doch wegen eines Streiks kamen sie schließlich auf die "Titanic" - das stolze Schiff, das als unsinkbar galt.

Die Nacht zum 15. April 1912 ist stockfinster. Der 269 Meter lange Luxusliner steuert im Nordatlantik auf einen Eisberg zu. Als der Ausguck das Hindernis bemerkt, ist es schon zu spät, ein Ausweichversuch scheitert. Das Eis schneidet die Bordwand unter Wasser auf einer Länge von 90 Metern auf.

Vater Bertram spürt die Erschütterung und reagiert blitzschnell. Er und seine Frau Georgette ziehen Baby Millvina und ihren Bruder an, dann geht es an Deck. Dort herrscht Panik. Irgendwie gelingt es der Mutter, mit ihren Kindern in ein Rettungsboot zu kommen.

Vater Bertram muss an Bord zurückbleiben. Seine Familie sieht ihn nie wieder. Stundenlang kauert die Mutter mit den Kindern in der eiskalten Dunkelheit, bis das Schiff "Carpathia" am Morgen am Unglücksort eintrifft und sie an Bord holt.

"Wir verdanken unser Überleben der Tapferkeit unseres Vaters, der die Gefahr erkannt und dafür gesorgt hat, dass wir vom Schiff herunterkamen", sagte Millvina Dean später. Sie führte in England ein ganz normales Leben als Sekretärin. Jahrzehntelang interessierte sich niemand für ihre Geschichte - bis 1985 das Wrack der "Titanic" gefunden wurde. Plötzlich stand die damals 73-Jährige im Rampenlicht.

Als es zuletzt nicht mehr so gut um ihre Gesundheit stand, ging die alte Dame in ein Altenheim in Ashurst. Und machte wieder Schlagzeilen, weil sie Andenken an die Schiffskatastrophe versteigern musste, um die hohen Kosten für die Unterbringung aufbringen zu können.

Zuletzt spendeten Kate Winslet und Leonardo DiCaprio, die mit dem Oscar-gekrönten Film über die Titanic Ruhm erlangt hatten, für sie. "Wir hoffen, dass sie sich nun ausruhen kann, weil sie weiß, dass ihre Zukunft sicherer ist", erklärten die Schauspieler. Viel Freude hatte Millvina an dem Geld nicht mehr. Sie starb nur ein paar Kilometer von Southampton entfernt, wo 1912 die "Titanic" zu ihrer Fahrt aufgebrochen war.

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