Petra Gerster: Beim Mauerfall habe ich geheult

„Heute“-Moderatorin Petra Gerster und ihre persönliche Sicht auf 60 deutsche Jahre.

WZ: Frau Gerster, ein zentrales und bewegendes Ereignis der vergangenen 60 deutschen Jahre war der Mauerfall. Wo und wie haben Sie davon erfahren?

Petra Gerster: Das ist ein Ereignis, das eng mit meiner Familie und meinem ersten Kind, das ich zu dieser Zeit erwartete, verbunden ist. Ich saß mit meinem Mann vor den Spätnachrichten - und traute meinen Augen nicht. Dann habe ich geheult - und meine Mutter angerufen, eine alte Dresdnerin. Sie hat 1945 den großen Bombenangriff miterlebt und ist im Feuersturm geflohen, mit meinen beiden älteren Schwestern im Kinderwagen. Ein Teil der Familie ist in der DDR geblieben und lebt bis heute in Dresden, Meißen und Freiberg. Wir haben die Teilung immer auch als persönliche Tragödie empfunden und waren deshalb über den so unerwarteten Fall der Mauer besonders glücklich.

Gerster: Fundamental. Ich war 13, als die Studenten in Berlin Ho-Ho-Ho Tschi Minh skandierten und von Wasserwerfern auseinandergetrieben wurden, und zuhause das jüngste von vier Kindern. Da bekam ich natürlich heiße Diskussionen am Mittagstisch mit, die nicht selten im Streit endeten - obwohl meine Eltern Liberale waren. In der Schule in Worms diskutierten wir mit Lehrern, die ihren autoritären Stil weiterpflegen wollten. In dieser Zeit hat sich viel verändert: Schulgebet und Kopfnoten wurden abgeschafft, wir mussten nicht mehr bei jeder Antwort aufstehen und entwickelten - gerade auch als Mädchen - mehr Selbstbewusstsein.

Gerster: Viel erzählen und reden, bei Tisch, im Auto, und Beziehungen herstellen zwischen den eigenen Erfahrungen und den Erlebnissen der Kinder. Kinder lieben es, wenn man viel mit ihnen spricht und sich für sie interessiert. Und so wachsen sie ganz selbstverständlich auch mit unseren Geschichten auf, so wie ich mit den Geschichten meiner Eltern und Großeltern.

Gerster: Auch wenn wir eine Bundeskanzlerin haben - nein, die Gleichberechtigung ist noch nicht erreicht. Es genügt ein Blick auf die Aufsichtsräte und Vorstände der großen Firmen, auf die Hierarchien in den Verlagen und Sendern, der Universitäten, Kirchen und Gewerkschaften. Erst wenn da überall Frauen ebenso Entscheidungen treffen wie die Männer, und wenn Männer ihren Anteil der Arbeit in Haus und Familie leisten, dann sind wir so weit. Ob ich das noch erlebe - ich glaube es eher nicht.

Gerster: Das kann man schaffen, wenn man wirklich beides will und wie ich seinen Partner auch danach ausgesucht hat, ob er dieses Modell bedingungslos mitträgt. Das erfordert eine gewisse Opferbereitschaft - bei beiden. Die ganz große Karriere ist bei diesem Modell eher nicht drin, würde ich sagen. Allerdings ist es heutzutage einfacher als vor 20 Jahren; heute werden Männer, die sich um ihren Nachwuchs kümmern, nicht mehr diskriminiert, sondern bewundert. Aber leicht ist es immer noch nicht in Deutschland.

Gerster: Ja. Und bei Fehlern werden sie viel härter und schneller verurteilt.

Gerster: Nochmal 60 Jahre an Frieden, Freiheit und Wohlstand - das wäre schön!

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