Plácido Domingo: Vor dem Auftritt ein Gebet

Der Opernstar Plácido Domingo (72) über Rituale, Stimmlagen und das Glück der klassischen Musik.

Düsseldorf. Mit den drei Tenören wurde er zum Opernstar, und noch immer steht Plácido Domingo gern auf der Bühne. Der 72-Jährige gibt am Sonntag ein Open-Air-Konzert am Fuße des berühmten Loreley-Felsens.

Herr Domingo, Das Häppchenprogramm bei einem Open-Air-Konzert hat eine andere Klasse als ein Opernabend. Stört Sie das?

Plcido Domingo: Ich habe in meinem Leben so viel für die klassische Musik getan. Natürlich ist es sehr beglückend, einen ganzen Abend lang einen Opern-Charakter formen zu können, aber es kann auch sehr packend sein, wenn das Publikum alle fünf Minuten begeistert applaudiert, weil man eine bekannte Opern- oder Operetten-Nummer gesungen hat, eine Zarzuela oder einen Musical-Hit. Das ist einfach eine andere Form des Glücks.

Das Publikum kennt Sie aus vielen berühmten Opern — gibt es da Partien, die Sie heute nicht mehr singen?

Domingo: Selbstverständlich — praktisch mein gesamtes Tenor-Repertoire singe ich inzwischen nicht mehr. In diesen Rollen hatte ich große Erfolge, doch kann ich diese Partien heute nicht mehr so singen, wie ich das einmal getan habe. Nachdem ich früher vor allem französische und italienische Opern gesungen habe, mich anschließend deutschen und russischen Werken gewidmet und auch die Barockopern für mich entdeckt habe, widme ich mich nun dem Bariton-Repertoire. So habe ich auch meinem Publikum immer etwas Neues zu bieten.

Wie gehen Sie damit um?

Domingo: Ich bin immer sehr glücklich gewesen. Natürlich ist meine Stimme über die Jahre dunkler und mein Tonumfang kleiner geworden, doch wenn ich meine Rollen mit Bedacht auswähle, kann ich heute immer noch so gut singen wie in meinen jungen Jahren und bringe dabei weit mehr Erfahrung und gedankliche Tiefe ein. Und eines war mir bereits als 40-Jähriger klar: Selbst wenn ich damals nur noch einige wenige Jahre hätte singen können, ich hätte doch mein weiteres Leben der Oper gewidmet, sei es nun als Dirigent, im administrativen oder auch einem anderen Bereich.

Hören Sie selbst gelegentlich auch einmal klassische Musik nur zur Entspannung?

Domingo: Möchte ich mich entspannen, dann setze ich mich in die Sonne (lacht). Doch ich besuche oft Konzerte und Opernaufführungen oder lausche auch Musikaufnahmen, zur Erbauung ebenso wie zum Lernen — und zwar verschiedensten Werken von verschiedensten Künstlern.

Was machen Sie, bevor Sie auf die Bühne gehen?

Domingo: Die meisten Künstler haben ihre speziellen, kleinen Rituale und Aberglauben, die sie vor ihren Auftritten pflegen. Ich bete zur Heiligen Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, und zum Heiligen Blasius, dem Schutzpatron der Halskranken — und ich halte nach einem verbogenen Nagel auf der Bühne Ausschau, bevor ich zum Singen hinausgehe. Aber das sind schon sehr private Angelegenheiten.

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