Porträt: Hasso von Blücher - Partner des Pentagons

Mit der soldatischen Tradition seiner Familie tat sich Hasso von Blücher schwer. Trotzdem blieb er dem Militär treu – als weltweit erfolgreicher Hersteller von Schutzanzügen.

Düsseldorf. Keine Spur von Militär. Nichts Soldatisches ist an dem Mann, der doch einen so verpflichtenden Namen trägt. Da sitzt ein Mensch, ausgeglichen, zufrieden.

Ein schelmisches Lächeln umspielt die Mundwinkel, wenn er aus seinem Leben erzählt. Das Haar noch nicht ganz grau, die Figur schlank, ohne drahtig zu sein. Die beigefarbenen Jeans passen zum rosafarbenen Hemd, und das taubenblaue Sakko untermalt die späte Jugend.

Die Bewegungen erinnern ans nachdenkliche Schreiten eines Gelehrten, nicht aber an einen Körper, der militärischen Drill erfuhr. Dabei hat Hasso von Blücher (66) gedient, es sogar zum Leutnant gebracht.

Aber die Militärkarriere war seine Sache nicht. Und hätte der Vater seinen Sohn nicht getriezt, dann wäre die Geschichte der Wehrdienstverweigerung um einen prominenten Namen reicher.

Kaum auszudenken: Ein Nachfahre des Bruders von "General Vorwärts", Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819), des Helden von Waterloo, den der englische General Wellington mit den Worten herbeisehnte: "Ich wollte es wäre Nacht oder die Preußen kämen", soll keine Militärkarriere anstreben?

"Als ich das zu Hause verkündete, sagte mein Vater: Gute Entscheidung. Du hättest das sowieso nicht geschafft. Folgerichtig bin ich Soldat geworden." Von Blücher war Leutnant in der ABC-Abwehr. Das sollte sich für seinen späteren Beruf als sehr nützlich erweisen.

Überhaupt hat Hasso von Blücher es nie bereut. Noch heute denkt er gern an seine Bundeswehrzeit zurück, erzählt von den Liegestützen über aufgerichteten Messerklingen, rühmt Kameradschaft und Disziplin, Tugenden, die heute gerne als "rechts" bezeichnet würden. "Was für ein Blödsinn."

Tatsächlich gibt seine Vita "rechts" nicht her. Wer mit dem Kommune-I-Begründer Fritz Teufel in der Frankfurter Uni "Schiffe versenken" spielt, während die Polizei das Gebäude umstellt, wer Ende der 60er mit Daniel Cohn-Bendit politische Dispute führt, wem die Aufnahme in die SPD mit der Begründung "zu links" verweigert wird, kann wohl kein Rechter sein.

Aber "zu links" ist von Blücher auch nicht, nie gewesen. Vielleicht trifft "liberal" auf die Gesinnung des Sprosses derer von Blücher am besten zu. "Wir waren damals die Reformer, wir wollten etwas verändern, die anderen wollten Revolution. Die wollten uns nicht, das Establishment wollte uns auch nicht", erinnert von Blücher sich.

Vielleicht ist aus Hasso von Blücher deshalb geworden, was er heute ist: ein Unternehmer, ein Visionär, ein Gestalter, ein Mensch, dem Freiheit alles ist. Heute beschäftigt die Blücher Gruppe weltweit 160 Leute, 120 davon in Deutschland.

Das Unternehmen stellt Aktivkohle-Filter her, macht aber 80Prozent seines Umsatzes mit Schutzanzügen gegen chemische Kampfstoffe. Hauptkunden sind die USA, die Nato-Staaten in der EU, Indien, Israel, eigentlich alle wichtigen Staaten.

"Außer China. Das lassen die Amerikaner nicht zu", sagt er. Dass er andererseits die Russen beliefern dürfe, zeige, wie wenig ernst die USA die einstige Weltmacht noch nähmen.

Die USA sind überhaupt der Punkt, an dem die Widersprüchlichkeit des Hasso von Blücher klar hervortritt. Das US-amerikanische Verteidigungsministerium Pentagon ist einerseits seit 18 Jahren ein verlässlicher Geschäftspartner. Andererseits lehnt von Blücher Teile der Außenpolitik Amerikas rundweg ab.

Den Irakkrieg hält er nach wie vor für falsch. "Das Hochspielen des Terrorismus ist ein gigantisches Konjunkturprogramm." In den USA berate die Wirtschaft die Politik nicht mehr, unter Bush Jr. habe sie die Politik vielmehr übernommen.

Das gilt auch für die Lobbyisten der Rüstungsindustrie. Die USA geben zirka 350Milliarden Euro pro Jahr für die Landesverteidigung aus. Die Blücher GmbH fährt gut damit. Sie deckt 70 Prozent des weltweiten Bedarfes an Schutzanzügen ab.

Bei etwa 500000Stück im Jahr sind das immerhin 350000. Damit macht die Gruppe 80 bis 250 Millionen Euro Umsatz, je nachdem, wie groß die Verteidigungsbudgets gerade sind. Den Widerspruch zwischen Denken und Handeln löst von Blücher nicht auf. Womöglich ist es für ihn auch gar keiner, weil seine Anzüge schützen, nicht töten.

Der Wohlstand, den das Geschäft ihm einbringt, ist Wiedergutmachung und Mittel zum Zweck gleichermaßen: Wiedergutmachung für die Zeit, in der dem studierten Sozialwissenschaftler im Münchener Max-Weber-Institut von Staats wegen die versprochene Stelle aus finanziellen Gründen verweigert und der Stuhl vor die Tür gestellt wurde.

Und Mittel zum Zweck, um der Leidenschaft des erfolgreichen Mittelständlers zu frönen. "Ich habe einen sehr starken Gestaltungsdrang", sagt von Blücher und verweist sichtlich stolz auf die "Brügger Mühle", sein erstes großes Projekt. In seiner Wahlheimat Erkrath im Kreis Mettmann hat von Blücher aus einer Brache einen hochwertig ausgestatteten Gewerbepark gemacht, in dem sich Funktionalität mit Kunst und Natur trifft.

Sein neuestes Kind entsteht in der Erkrather Stadtmitte. Dort errichtet von Blücher derzeit Wohnungen und Häuser für bis zu 600 Menschen. Er baut sein eigenes Dorf, ein Mehrgenerationen-Dorf.

Hasso von Blücher ist ein glücklicher Mensch, einer, der das Schöne liebt und andere gern daran teilhaben lässt. Das gilt für die Stunden am Kontrabass seiner Jazzband, das gilt, wenn er für Freunde am Herd steht, es gilt, wenn ihm wieder etwas Neues einfällt.

"Ich habe den Kopf voller Ideen und zum ersten Mal die Möglichkeit, sie umzusetzen. Ich bin in der besten Zeit meines Lebens."

Hasso von Blücher wurde 1941 in Celle (Niedersachsen) geboren, hat 1961 Abitur gemacht und nach der Militärzeit in München, später in Frankfurt Jura, Politologie, Philosophie und Soziologie studiert. Beim Philosophen Jürgen Habermas sollte er über das Thema "Die wissenschaftliche Begriffsbildung in Sozialwissenschaft und Naturwissenschaft" promovieren - und scheiterte.

Das Thema sei zu mächtig gewesen, damit sei Habermas selbst bis heute nicht fertig, sagte von Blücher später. Vor etwa 35 Jahren gründete er mit einem Vetter gleichen Nachnamens eine Firma, die angesichts des Kalten Krieges für den Zivilschutz produzieren sollte.

Ein zunächst in Aussicht gestellter Auftrag scheiterte aber am Nein des Bundestages, der dem "Gleichgewicht des Schreckens" keinen womöglich provokanten Zivilschutz entgegen stellen wollte. Die Firma ging pleite.

Dieser Misserfolg machte die heutige Blücher GmbH möglich, die ihr Geld in der Hauptsache mit der Produktion von C-Schutzanzügen für Armeen und Katastrophenschützer verdient.

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