Porträt: Meister eines aussterbenden Fachs

Willy Schüffler (64) ist einer der letzten Schirmmacher Deutschlands. Ans Aufgeben denkt er nicht.

Essen. Willy Schüffler mag den Herbst. „Regen ist für mich die beste Werbung“, sagt der Schirmmachermeister. Bei nasskaltem Wetter verkaufe er doppelt so viele Schirme wie an Sonnentagen. Der große Mann mit dem schütteren grauen Haar betreibt im Essener Stadtteil Heisingen eine der letzten Schirmmanufakturen Deutschlands — und gehört damit zu einer aussterbenden Zunft.

In Zeiten chinesischer Massenware versteht der Essener seine Arbeit auch als Beitrag zur Ehrenrettung eines 4000 Jahre alten Kulturprodukts. Als sein Vater das Geschäft 1920 aufzog, galt der Schirm den feinen Leuten noch als wichtiges Prestigeobjekt. „Er musste schmücken und die wertvolle Kleidung der betuchten Gesellschaft vor Regen schützen.“

Heute ist der Schirm längst zur schnell ersetzbaren Billigware geworden: Fast jeder Schirm, der in Deutschland über den Ladentisch von Discountern und Drogeriemärkten gehe, lande nach wenigen Monaten auf dem Müll, glaubt Schüffler. Der Handwerksmeister setzt auf Nachhaltigkeit. „Ein guter Schirm hält ein Leben lang.“ Geht etwas kaputt, repariert er eigenhändig.

Seine Finger streichen über den gemusterten Schirmstoff, den er gerade millimetergenau zugeschnitten hat — jeder Webfehler im Stoff wird aufgespürt, das Stück aussortiert. Qualität ist wichtig. Mancher Griff besteht aus Elfenbein oder Silber, besonders stabile Schirme werden mit einem Gestell aus Karbonfasern und Fiberglas ausgestattet. Das hat dann aber auch seinen Preis — bis zu 700 Euro.

Beim Säumen und Nähen der Stoffzuschnitte hilft Jennifer Kossuch. Die gelernte Damenschneiderin und heutige Schirmnäherin hat, seit sie für Schüffler an der Nähmaschine sitzt, ein neues Verhältnis zum Gebrauchsgegenstand: „Jeder Schirm ist eine Persönlichkeit. Menschen, für die ich mal einen Schirm gemacht habe, erkenne ich auf der Straße“, sagt sie stolz und zurrt mit Nadel und Faden eine kleine Metallspitze an der Speiche eines Kundenschirms fest.

In unzähligen Kistchen und Gläsern warten winzige Schrauben, Federn und andere kleinste Ersatzteile darauf, eines Tages für eine Reparatur gebraucht zu werden. „Ich habe einfach Freude an dem Edlen und Schönen“, sagt er und präsentiert Schirmgriffe aus glänzend geschliffenem Kastanien-Hartholz. „So ein Griff altert nicht.“

Willy Schüffler gehört zu den letzten seiner Art. Aus Leidenschaft will der 64-Jährige so lange weitermachen wie es geht. Auch über das Rentenalter hinaus. Fast trotzig sagt er: „Auch wenn unser Handwerk auszusterben droht, haben wir weiter Ideen und können gestalten.“

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