Robert Atzorn: „Ich kam mir wie der Größte vor“

Porträt: Robert Atzorn, berühmt geworden als „Lehrer Doktor Specht“, spielt einen trinkenden Professor. Er selbst hatte in seiner Jugend ein großes Alkoholproblem.

München. Braun gebrannt, entspannt, locker. "Das macht alles die bayerische Sonne", sagt Robert Atzorn schmunzelnd. Nach anderthalb Jahren Hamburg ist er in die Wahlheimat am Chiemsee zurückgekehrt.

Obwohl er doch eigentlich Hamburger ist, zwar nicht geborener, aber doch "gelernter". Die Schuljahre, die Anfänge an der Kunsthochschule, als er noch Grafiker werden wollte - alles fand dort statt.

Aber dieses "zurück zu den Wurzeln" war nicht recht gelungen: "Zwanzig Jahre vorher hätte es stattfinden müssen." Das Lebensnetz im Süden war inzwischen zu dicht, die alte Heimat fremd geworden. "Alte Bäume verpflanzt man eben nicht mehr", sagt er augenzwinkernd.

Ein Mann in den Sechzigern. Das scheint für ihn keine schwere Last zu sein. Anders als für den Professor Wohlstedt, den er am Mittwoch im ARD-Film "Mein Mann, der Trinker" spielt.

Der scheint ein stromlinienförmiger Erfolgsmensch zu sein, wie so mancher aus seiner Generation, die einst 1968 auf die Barrikaden stieg und sich nun in der Sonne des seinerzeit so verachteten Establishments aalt: "Trau keinem über dreißig!" Hatte es damals nicht so geheißen?

Wohlstedt, zweimal dreißig, misstraut sich selbst. Seine Welt hinter der heilen Fassade bröckelt. Die große Leere droht. Es bleibt der Alkohol als Tröster.

"Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen", meint Atzorn und freut sich, dass man ihm, der doch meist fürs Leichte eingesetzt wird, eine solch schwierige Rolle zugetraut hat.

Es ist kein Geheimnis, dass er selbst in jungen Jahren ein erhebliches Alkoholproblem hatte: "Ich wollte meine Schüchternheit überspielen." Wohl auch die Angst, zu versagen, denn in der Schule war er alles andere als eine Leuchte: "Ein paar Gläser, und ich kam mir wie der Größte vor."

Es ist einfach, in eine solche Lebensfalle hineinzurutschen, sehr schwierig, dort wieder herauszufinden. Atzorn hat es geschafft. Mit asiatischer Meditation, die hat ihm Halt gegeben.

Und die stabile, nun schon 32 Jahre dauernde Ehe mit der früheren Tänzerin Angelika Hartung. Sein Blick wird wärmer, wenn er davon spricht. Oder von den beiden Söhnen Jens und Daniel, die beide Schauspieler wurden wie er, erst nicht zur Freude, inzwischen aber zur Zufriedenheit des Herrn Papa.

Ihr Vater hat einige unvergessene TV-Figuren geschaffen: den Pastor in "Mein Gott, Herr Pfarrer", einen unkonventionellen Typ, der nach der Trauerpredigt bei der Beerdigung auch schon mal rasch zu seiner Angetrauten ins Bett schlüpft. Oder, noch berühmter, seinen "Lehrer Doktor Specht", einen Pädagogen, wie ihn sich wohl die meisten als Lehrer gewünscht hätten.

Sein "Tatort"-Kommissar Jan Casstorff, den er 16 Mal verkörperte, gehört jedoch nicht so sehr in diese Reihe. "Ich bin nicht unbedingt ein Krimi-Typ", sagt Atzorn selbst. Dafür hat man sich beim ZDF an seinen "Kapitän" aus den 90ern erinnert und dreht mit Atzorn sechs neue Folgen.

Er hat seinen Spaß an solch flott gemachter Unterhaltung. Und denkt ohne Nostalgie an Zeiten zurück, da er in einer TV-Inszenierung von Schillers "Don Carlos" ein respektabler Marquis Posa war.

So etwas noch mal zu spielen, richtig schön klassisch, kann er sich durchaus vorstellen. Aber dann am Theater, und am liebsten nicht den Posa, sondern den vereinsamten König Philipp: "Mit einem meiner Söhne als Prinz Carlos, ja, das wäre schön."

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