Theater: Mike Tysons Kampf am Broadway

Der Skandal-Boxer im Ruhestand spielt in einem Theaterstück sich selbst — K.o. gehen dabei aber andere.

Ney York. Gleich zu Anfang stellt Mike Tyson eines klar: Es sei gar nicht sein erstes Mal am Broadway. „Genau hier, auf derselben Straße bin ich mal verhaftet worden“, erzählt der Ex-Schwergewichtsboxer und das Publikum im ausverkauften Longacre Theater nahe dem New Yorker Times Square lacht laut auf. Gefängnisse kennt Tyson, den Boxring auch — aber auf einer Bühne am Broadway stand er noch nie zuvor.

„Es ist schon etwas komisch, hier oben zu sein“, sagt der exzentrische 46-Jährige zu Beginn der New Yorker Premiere seines Stücks „The Undisputed Truth“ (Die unbestrittene Wahrheit) am Dienstagabend (Ortszeit). „Aber keine Sorge: Ich lasse Sie alle mit zwei Ohren nach Hause gehen.“ Seinem Gegner Evander Holyfield hatte er im Boxring einst ein Stück des rechten Ohres abgebissen.

Die Eskapaden sind es, für die der Boxer im Ruhestand vor allem bekannt ist: Drogen, Sex, Alkohol, Frauen, Geld, eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung. Aber Tyson war 1986 auch der jüngste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten und gewann 50 seiner 58 Profikämpfe. „The Undisputed Truth“ — geschrieben von Tysons Frau Kiki und auf die Bühne gebracht vom Produzenten Spike Lee — lässt nichts davon aus. „Ich mache diese Show, damit ihr mich besser kennenlernen könnt, durch meine eigenen Worte.“

Die Show ist Tyson und Tyson ist die Show. Andere Schauspieler gibt es nicht. Bühnendekoration auch nicht, bis auf einen Stuhl und eine Leinwand. Mit schwarzem Anzug, rosafarbenem Hemd, braunrot-glänzenden Schuhen und dem auffälligen Tattoo im Gesicht schreitet, tanzt und boxt der massige Ex-Sportprofi über die Bühne. Lispelnd, nuschelnd, häufig außer Atem und stark schwitzend erzählt er seine Lebensgeschichte in mehr oder weniger chronologischer Reihenfolge: Wie er als jüngstes von drei Kindern zwischen Straßengangs in Brooklyn aufwächst, seinen leiblichen Vater nie kennenlernt, seine Mutter und Schwester jung sterben sieht. Wie er mit 13 100 Kilogramm wiegt und 30 mal im Jugendknast saß. Und wie das Boxen schließlich sein Leben rettet.

Der Boxtrainer Cus D’Amato nimmt Tyson unter seine Fittiche und bringt ihm Ausdauer, Ehrgeiz und schlicht auch das Lesen bei. „Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich einlasse.“ Tyson kämpft sich von Erfolg zu Erfolg, gilt als unbesiegbar und wird als „Iron Mike“ (Eiserner Mike) gefeiert. Dennoch bleibt er ein „Bad Boy“, der immer wieder durch Drogen und Gewalt Schlagzeilen macht.

Auf der Bühne gibt Tyson sich geläutert: „Ich bedauere es, nur an Geld, Sex, Frauen, Drogen und Ruhm gedacht zu haben.“ Heute wolle er vor allem ein guter Ehemann und Vater sein. So ganz überzeugend bringt Tyson diese Botschaft allerdings nicht an sein Publikum. Zu sehr keilt er gegen Ex-Frauen und Ex-Berater wie den Box-Promoter Don King, die ihn angeblich nur ausgenutzt und um Geld betrogen hätten. Zu sehr weist er auch alle Anschuldigungen — wie die aus dem Vergewaltigungs-Prozess — von sich. „Es gab viele Sachen, für die ich es verdient hätte, ins Gefängnis zu gehen, aber das war keine davon.“ Das Stück wird zu einer langen Verteidigungsrede voller saftiger Schimpfwörter.

Nur bei einem Thema wird der Boxer ganz weich: Tauben. Das seien schon immer seine Lieblingstiere gewesen. „Schon damals in Brooklyn: Wenn ich nicht im Gefängnis saß, war ich meistens bei meinen Tauben.“

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