Wolfgang Lippert: Leben nach dem großen Ruhm

1992 übernahm der Moderator aus dem Osten „Wetten, dass...?“ und hatte damit den Gipfel der TV-Unterhaltung erreicht. Der Abstieg folgte erstaunlich schnell.

Berlin. Dem Kellner kommt der Mann mit der roten Brille und dem breiten Lächeln irgendwie bekannt vor. "Sind Sie vielleicht Professor?", fragt er, "ich habe Sie schon mal irgendwo gesehen". Der Mann lächelt. Er habe mal Fernsehen gemacht. "Vielleicht kennen Sie mich daher."

Der Mann, der da in einem Orient-Restaurant in Berlin-Mitte sitzt, heißt Wolfgang Lippert, und er hat in der Tat mal Fernsehen gemacht, sogar ziemlich erfolgreich. In der DDR war er einer der bekanntesten Showmaster und auch "Wetten, dass...?", das Flaggschiff der deutschen Fernseh-Unterhaltung, hat er moderiert.

Das ist allerdings lange her. Seine letzte Fernsehshow, eine Art Blinde-Kuh-Spiel, lief beim MDR und man könnte sagen, sie hatte einen Titel, der zum Karriere-Stadium passt: "Wo ist Lippi?" Auf der ganz großen Bühne jedenfalls nicht mehr.

Den Eindruck, dass ihm das sonderlich viel ausmacht, will er vermeiden. "Sicher wünscht sich jeder Moderator große Shows", sagt er, "aber ich glaube, ich bin im Moment in einer ganz guten Spur."

Von ein paar Falten abgesehen, hat er sich in den Jahren seit "Wetten, dass...?" nicht sonderlich verändert. Sein Faible für große Brillen hat er genauso beibehalten wie die übliche Showmaster-Haltung, die ihn mit beiden Händen gestikulieren lässt. Ein halb aufgeknöpftes Hemd, dazu ein lässig um den Hals geworfener Pulli - auch in Kleidungsfragen wählt er noch den Mittelweg zwischen Eleganz und Lockerheit.

Dann erzählt er gut gelaunt von einer neuen Single, neuen Showideen für Kinder, dem privaten Glück mit Ehefrau Gesine oder seinem Schauspiel-Engagement bei den Störtebeker-Festspielen auf Rügen. "Ich tanze gern auf ziemlich vielen Hochzeiten."

Angefangen hat die Karriere des Ost-Berliners mit der Musik. Der Sohn eines Kapellmeisters begann nach einer Lehre zum Autoschlosser ein Gesangs- und Klavierstudium. Sein erster großer Erfolg: der Schlager "Erna kommt", 1983 ein Hit in der DDR und in einer Cover-Version von Hugo Egon Balder wenig später auch im Westen. Und mit Erna kam auch bald die TV-Karriere: Eine Redakteurin des DDR-Fernsehens hatte sein Moderationstalent bei einem Auftritt erkannt und schlug ihn als Gastgeber der Kindersendung "He Du" vor.

Wenn er von der Show erzählt, gerät Lippert auch heute noch ins Schwärmen - und lässt dabei seine Shrimps-Suppe kalt werden. "Das waren eigentlich meine schönsten Jahre als Moderator", sagt er. Und "He Du" war auch sein großes Sprungbrett: Es folgten Samstagabendshows wie "Glück muss man haben" oder "Ein Kessel Buntes". Er war der "Gottschalk des Ostens". "Ich habe mich nicht unwohl gefühlt", sagt er heute zu seiner DDR-Zeit, "vielleicht auch, weil ich relativ wenig Kontakt mit dem System hatte."

Kurz vor der Wende: ein Anruf von Frank Elstner. "Ja, und hier ist Inge Meysel hab’ ich gesagt", erzählt Lippert: "Ich dachte, da will mich jemand veräppeln." Doch es war tatsächlich Elstner, der ihn zu seiner Show "Nase vorn" in West-Berlin einladen wollte.

Lippert ließ sich ein Visum geben, offiziell für einen Theaterbesuch - und hatte bei Elstner seinen ersten großen Auftritt vor westdeutschem Publikum. So ging Lipperts Karriere auch nach dem Mauerfall relativ nahtlos weiter. Als 1992 ein Nachfolger für Thomas Gottschalk gesucht wurde, fiel die Wahl der ZDF-Bosse auf ihn.

"Wetten, dass...?" mit Lippert - das ging nicht lange gut. Seine harmlos-herzliche Art wollte nicht in die große gesamtdeutsche Showwelt passen. Kritiker verspotteten ihn als "Ranschmeißer", der zu Phil Collins freudestrahlend "You can say you to me" sagte. Distanz ist seine Sache eben nicht, weder auf der Bühne noch im Interview. "Lippi" - auch mit 56 ist das noch sein Spitzname - gibt den Kumpel von nebenan, lacht oft und findet vieles "klasse" und "lustig".

Im Rückblick bemüht er sich, selbst für diese Zeit noch freundliche Worte zu finden: "Ich bin super dankbar, dass ich ’ne Weile einen Flugzeugträger lenken durfte." Dass schon nach wenigen Shows wieder Schluss war, habe auch nicht an ihm oder den Kritikern gelegen, meint Lippert: "Thomas wollte es wieder machen." Da habe er einfach gehen müssen.

Selbstkritik scheint Lippert dabei genauso fremd wie Unhöflichkeit. Bei seiner letzten Sendung - das ist ihm wichtig - schauten noch 16 Millionen Leute zu. Mehr seien es heute bei Gottschalk auch nicht.

Doch woran es auch gelegen haben mag: "Danach ging es abwärts", gibt Lippert zu. Die "Goldmillion", seine Sendung nach "Wetten, dass...?", ging unter. "Die Show gab’s nicht mehr, und mich gab’s dann dummerweise auf einmal auch nicht mehr im Fernsehen." Keine neuen Angebote, nur noch Negativ-Schlagzeilen. "Lippi" fiel in ein Loch.

"Bis dahin war ich vom Glück verwöhnt, das war schlagartig zu Ende." Nach einer Pause schlägt er sich mit kleineren Showprojekten, aber auch als Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger durch - die Glückssträhne hat er dabei bis heute nicht wieder gefunden.

2002 der vorläufige Tiefpunkt: Wegen fehlgeschlagener Immobiliengeschäfte musste er Privatinsolvenz anmelden. "Ich bin betrogen worden", sagt er dazu knapp. "Eine bittere Erfahrung." Nach kurzer Pause kehrt "Lippis" Lächeln demonstrativ zurück. Die Krise sei mittlerweile ausgestanden: "Ich bin frei für neue Aufgaben", sagt er.

Zum Beispiel für musikalische. Eine neue Single hat er veröffentlicht, von der Plattenfirma als "Erna kommt"-Nachfolger angekündigt. Wieder ein leicht rockig angehauchter Schlager, wieder geht es um eine Frau, die diesmal Regine heißt. "Regine, Regine, du gibst immer viel mehr aus, als ich verdiene."

Auf dem Cover ist die altgediente "Lippi"-Gummipuppe aus der Satire-Show "Hurra Deutschland" zu sehen. Ob das allerdings reicht, um an alte Zeiten anzuknüpfen? Lippert ist verhalten optimistisch. Sein Motto fürs Showgeschäft hat er ja schon zu DDR-Zeiten vorgegeben: "Glück muss man haben."

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